Verblendung
eine Fälschung war - zwei verschiedene Bilder, die man in PhotoShop zusammenmontiert hatte.«
»Faszinierend«, sagte Lisbeth nüchtern und nickte versonnen.
»Ja, nicht? Im Nachhinein konnte man leicht erkennen, wie wir manipuliert worden waren. Unsere Originalstory hatte Wennerström aufgeschreckt, aber die wurde jetzt völlig von dieser Fälschungsgeschichte verdrängt - die übelste Falle, von der ich jemals gehört habe. Wir veröffentlichten eine Story, aus der Wennerström tatsächlich einen Punkt nach dem anderen herauspicken konnte, um dann jeweils seine Unschuld zu beweisen. Und es war so verflucht geschickt gemacht.«
»Ihr konntet keinen Rückzieher machen und die Wahrheit erzählen. Ihr hattet überhaupt keinen Beweis, dass Wennerström selbst hinter dieser Fälschung steckte.«
»Es war noch schlimmer. Wenn wir versucht hätten, die Wahrheit zu erzählen, und wenn wir auch noch verrückt genug gewesen wären, Wennerström als Urheber dieser Fälschung zu bezeichnen, dann hätte uns kein Mensch geglaubt. Es hätte ausgesehen wie ein verzweifelter Versuch, auf Gedeih und Verderb einem unschuldigen Industriellen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Wir hätten dagestanden wie die größten Verschwörungstheoretiker und Vollidioten.«
»Verstehe.«
»Wennerström war doppelt abgesichert. Wäre der Fake aufgeflogen, hätte er behaupten können, einer seiner Feinde habe ihm einen Skandal anhängen wollen. Und wir bei Millennium hätten alle Glaubwürdigkeit eingebüßt, weil wir auf eine Fehlinformation hereingefallen waren.«
»Also hast du dich entschieden, dich gar nicht erst zu verteidigen und eine Gefängnisstrafe in Kauf zu nehmen.«
»Ich hatte die Strafe verdient«, sagte Mikael bitter. »Ich hatte mich einer Ehrverletzung schuldig gemacht. Nun weißt du Bescheid. Darf ich jetzt schlafen?«
Mikael machte das Licht aus und schloss die Augen. Lisbeth legte sich neben ihn. Sie schwieg eine Weile.
»Wennerström ist ein Verbrecher.«
»Ich weiß.«
»Nein, ich meine, ich weiß , dass er ein Verbrecher ist. Er arbeitet mit allen möglichen Leuten zusammen, von der russischen Mafia bis hin zu kolumbianischen Drogenkartellen.«
»Wie meinst du das?«
»Nachdem ich meinen Bericht für Frode abgegeben hatte, erteilte er mir noch einen Extraauftrag. Er bat mich herauszufinden, was bei deinem Prozess eigentlich passiert war. Ich hatte gerade angefangen, daran zu arbeiten, da rief er Armanskij an und stornierte den Auftrag.«
»Aha.«
»Ich nehme an, sie haben diese Nachforschungen fallen lassen, nachdem du Henriks Angebot akzeptiert hattest. Da war das alles nicht mehr interessant.«
»Und?«
»Tja, ich mag nun mal keine unabgeschlossenen Sachen. Im Frühjahr hatte ich ein paar Wochen frei. Armanskij hatte gerade keinen Job für mich, und da hab ich zum Spaß weiter an einer persönlichen Untersuchung von Wennerström gearbeitet.«
Mikael setzte sich auf, schaltete das Licht an und blickte in Lisbeths große Augen. Sie wirkte tatsächlich schuldbewusst.
»Hast du was rausgekriegt?«
»Ich habe seine ganze Festplatte auf meinem Computer. Wenn du willst, kriegst du beliebig viele Beweise, dass er ein Schwerverbrecher ist.«
28. Kapitel
Dienstag, 29. Juli - Freitag, 24. Oktober
Mikael Blomkvist hatte drei Tage über ihren Ausdrucken gebrütet. Das Problem war nur, dass sich die Details pausenlos veränderten. Ein Optionsgeschäft in London. Ein Valutageschäft durch einen Bevollmächtigten in Paris. Eine Briefkastenfirma in Gibraltar. Eine plötzliche Verdoppelung des Kontostandes auf einem Konto bei der Chase Manhattan Bank in New York.
Und weitere verblüffende Fragen taten sich auf: Ein Handelsgeschäft mit 200000 Kronen auf einem unberührten Konto, das fünf Jahre zuvor in Santiago de Chile registriert worden war - eines von zirka dreißig ähnlichen Unternehmen in zwölf Ländern -, und keine Spur davon, was für Geschäften diese Firmen eigentlich nachgingen. Ruhende Geschäfte? Worauf warteten sie? Waren sie nur eine Fassade für andere Aktivitäten? Der Computer konnte keine Auskunft darüber geben, was in Wennerströms Kopf vor sich ging. Was für ihn selbstverständlich war, wurde wahrscheinlich niemals in Form eines elektronischen Dokuments festgehalten.
Salander war überzeugt, dass die meisten dieser Fragen unbeantwortet bleiben würden. Sie konnte die Botschaften lesen, aber ohne den passenden Schlüssel konnte sie sie nicht deuten. Wennerströms Imperium ähnelte
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