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Titel: Verblendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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mit dem Gebäck zuschob.
    »Ich weiß, dass Ihr Vater tot ist. Lebt Ihre Mutter noch?«
    »Nein«, erwiderte Mikael. »Sie ist vor drei Jahren gestorben.«
    »Sie war eine nette Frau. Ich kann mich sehr gut an sie erinnern.«
    »Herr Vanger, ich bin sicher, Sie haben mich nicht hierhergebeten, um mit mir über alte Erinnerungen an meine Eltern zu reden.«
    »Da haben Sie völlig recht. Ich habe mehrere Tage darüber nachgedacht, was ich Ihnen sagen will. Aber jetzt, wo Sie mir endlich gegenübersitzen, weiß ich nicht recht, wie ich anfangen soll. Ich nehme an, Sie haben einiges über mich gelesen, bevor Sie hierhergekommen sind. Dann wissen Sie auch, dass ich früher einmal großen Einfluss auf die schwedische Industrie und den Arbeitsmarkt gehabt habe. Heute bin ich ein alter Mann, der vermutlich bald sterben wird, und vielleicht ist der Tod sogar ein ausgezeichneter Ausgangspunkt für dieses Gespräch.«
    Mikael nahm einen Schluck schwarzen Kaffee und fragte sich, worauf diese Geschichte hinauslaufen würde.
    »Ich habe Schmerzen in der Hüfte und Schwierigkeiten mit längeren Spaziergängen. Eines Tages werden Sie selbst entdecken, wie alten Männern die Kräfte schwinden, aber ich bin weder altersschwach noch senil. Ich bin auch nicht besessen vom Tod, habe jedoch ein Alter erreicht, in dem ich akzeptieren muss, dass meine Tage gezählt sind. Es kommt einmal eine Zeit, da will man Bilanz ziehen und reinen Tisch machen. Verstehen Sie das?«
    Mikael nickte. Vanger sprach mit deutlicher und fester Stimme, und Mikael hatte bereits bemerkt, dass der alte Mann weder senil noch unvernünftig war. »Ich bin sehr neugierig zu erfahren, warum ich hier bin«, wiederholte er.
    »Ich habe Sie gebeten zu kommen, weil ich Sie bei eben dieser Schlussbilanz um Hilfe bitten will. Es gibt da noch ein paar unaufgeklärte Angelegenheiten.«
    »Warum gerade ich? Ich meine … was verleitet Sie zu der Annahme, dass ich Ihnen helfen könnte?«
    »Weil gerade zu dem Zeitpunkt, als ich darüber nachdachte, jemand zu beauftragen, Ihr Name im Zusammenhang mit der Wennerström-Affäre aktuell wurde. Ich wusste ja, wer Sie sind. Und vielleicht auch deswegen, weil Sie als kleiner Knirps schon auf meinem Knie gesessen haben.« Er wedelte abwehrend mit der Hand. »Nein, missverstehen Sie mich nicht. Ich rechne nicht damit, dass Sie mir aus sentimentalen Gründen helfen. Ich erkläre Ihnen nur, was mich dazu trieb, ausgerechnet zu Ihnen Kontakt aufzunehmen.«
    Mikael lachte freundlich. »Tja, an dieses Knie kann ich mich wirklich nicht erinnern. Aber woher konnten Sie wissen, wer ich war? Ich meine, das war Anfang der sechziger Jahre.«
    »Entschuldigen Sie, Sie haben mich missverstanden. Sie sind nach Stockholm gezogen, als Ihr Vater eine Anstellung als Betriebsleiter bei Zarinders Mekaniska bekam. Das war eines der vielen Unternehmen, die zum Vanger-Konzern gehörten, und ich habe ihm diesen Job verschafft. Er hatte keine Ausbildung, aber ich wusste, was in ihm steckte. Ich habe Ihren Vater ein paarmal pro Jahr getroffen, wenn ich bei Zarinders etwas zu erledigen hatte. Wir waren sicher keine engen Freunde, aber wir haben uns immer ein bisschen unterhalten, wenn wir uns wieder begegneten. Das letzte Mal traf ich ihn ein Jahr vor seinem Tod, und da erzählte er mir, dass Sie Journalistik studierten. Er war unglaublich stolz. Dann wurden Sie ja schnell im ganzen Land bekannt durch diese Bankräuberbande - Kalle Blomkvist und all das. Ich habe Ihren Weg mitverfolgt und im Laufe der Jahre viele Ihrer Artikel gelesen. Tatsächlich lese ich Millennium ziemlich oft.«
    »Okay, ich verstehe. Aber was genau soll ich jetzt eigentlich für Sie tun?«
     
    Henrik Vanger sah kurz auf seine Hände hinunter und nippte dann an seinem Kaffee, als brauchte er eine kleine Pause, bevor er sich endlich seinem Anliegen nähern konnte.
    »Mikael, bevor ich anfange, will ich gerne eine Abmachung mit Ihnen treffen. Ich möchte, dass Sie zwei Dinge für mich tun. Das eine ist ein Vorwand und das andere ist mein eigentlicher Auftrag.«
    »Was für eine Abmachung?«
    »Ich werde Ihnen eine zweiteilige Geschichte erzählen. Der erste Teil handelt von der Familie Vanger. Das ist der Vorwand. Es ist eine lange und dunkle Geschichte, aber ich werde versuchen, mich an die ungeschminkte Wahrheit zu halten. Der andere Teil dieser Geschichte handelt von meinem eigentlichen Anliegen. Ich glaube, Sie werden meine Erzählung streckenweise als ein wenig … verrückt empfinden. Was

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