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Verblendung

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Titel: Verblendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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fehlt mir die Zeit dazu. Aber ich war Lehrerin für Geschichte, Religion und Sozialkunde. Und ich habe ja noch ein paar Jahre vor mir.«
    »Ein paar Jahre?«
    Sie lächelte. »Ich bin sechsundfünfzig und gehe auf die Rente zu.«
    »Sie sehen nicht älter aus als fünfzig, eher Ende vierzig.«
    »Danke für die Blumen. Wie alt sind Sie?«
    »Über vierzig«, lächelte Mikael.
    »Und vor Kurzem waren Sie noch zwanzig, nicht wahr. Wie schnell es geht. Das Leben, meine ich.«
    Cecilia Vanger goss Kaffee ein und fragte Mikael, ob er Hunger habe. Er antwortete, er habe schon gegessen, was der Wahrheit entsprach. Er nahm es nicht allzu genau mit den Mahlzeiten und aß stattdessen belegte Brote. Hunger hatte er aber nicht.
    »Sind Sie gekommen, um mir Fragen zu stellen?«
    »Nein, ich wollte einfach mal vorbeischauen.«
    Cecilia Vanger lächelte plötzlich.
    »Sie sind zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, Sie ziehen nach Hedeby, gucken sich das Material zu Henriks Lieblingshobby durch, schlafen nachts nicht, machen lange Nachtspaziergänge bei Eiseskälte … hab ich was vergessen?«
    »Dass mein Leben vor die Hunde geht, vielleicht.« Mikael lächelte zurück.
    »Wer war die Frau, die Sie am Wochenende besucht hat?«
    »Erika … sie ist Chefredakteurin bei Millennium .«
    »Ihre Freundin?«
    »Wie man’s nimmt. Sie ist verheiratet. Ich bin mehr ein guter Freund und occasional lover .«
    Cecilia Vanger lachte laut.
    »Was ist daran so lustig?«
    »Wie Sie das sagen. Occasional lover . Der Ausdruck gefällt mir.«
    Mikael lachte auch. Auf einmal mochte er Cecilia Vanger.
    »Ich könnte auch einen occasional lover brauchen«, sagte sie.
    Sie kickte ihre Pantoffeln weg und stellte ihm einen Fuß aufs Knie. Mikael legte ihr automatisch seine Hand auf den Fuß und berührte ihre Haut. Einen Moment zögerte er - er spürte, dass er sich in unerwartetes und unbekanntes Fahrwasser begab. Vorsichtig begann er, ihre Fußsohle mit dem Daumen zu massieren.
    »Ich bin auch verheiratet«, sagte Cecilia Vanger.
    »Ich weiß. Im Vanger-Clan lässt man sich nicht scheiden.«
    »Ich habe meinen Mann seit fast zwanzig Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Was ist passiert?«
    »Das geht Sie nichts an. Ich habe seit … hmm, seit mittlerweile drei Jahren keinen Sex mehr gehabt.«
    »Das erstaunt mich.«
    »Wieso? Das ist eine Frage von Angebot und Nachfrage. Ich will absolut keinen Freund oder Ehemann oder Lebensgefährten. Ich fühle mich allein ganz gut. Mit wem sollte ich also Sex haben? Mit einem meiner Kollegen? Lieber nicht. Mit einem der Schüler? Das wäre ein gefundenes Fressen für die Klatschtanten im Ort. Sie haben ein wachsames Auge auf alle Leute, die Vanger heißen. Und hier auf der Insel wohnen nur Verwandte oder Verheiratete.«
    Sie lehnte sich vor und küsste ihn auf den Hals.
    »Schockiere ich Sie?«
    »Nein. Aber ich weiß nicht recht, ob das hier so eine gute Idee ist. Ich arbeite für Ihren Onkel.«
    »Ich wäre die Letzte, die plaudern würde. Und um ehrlich zu sein, Henrik hätte vermutlich nichts dagegen.«
    Sie setzte sich rittlings auf ihn und küsste ihn auf den Mund. Ihr Haar war immer noch nass, und sie duftete nach Shampoo. Plötzlich fummelte er an den Knöpfen ihres Flanellhemds und zog es ihr über die Schultern herunter. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, einen BH anzuziehen. Sie presste sich an ihn, als er ihre Brüste küsste.
     
    Rechtsanwalt Bjurman kam hinter seinem Schreibtisch hervor und zeigte ihr die Bilanz ihres Kontos, das ihr bis auf die letzte Öre bekannt war, über das sie aber nicht mehr selbst verfügen konnte. Er stand hinter ihr. Plötzlich fing er an, ihr den Nacken zu massieren, und ließ eine Hand über ihre linke Schulter quer zu ihrer Brust gleiten. Er legte die Hand auf ihre rechte Brust und ließ sie dort liegen. Als sie nicht zu protestieren schien, drückte er die Brust. Lisbeth Salander war zur Salzsäule erstarrt. Sie spürte seinen Atem im Nacken. Eingehend musterte sie den spitzen Brieföffner auf seinem Schreibtisch - mit ihrer freien Hand konnte sie ihn bequem erreichen.
    Aber sie unternahm nichts. Wenn Holger Palmgren ihr irgendetwas beigebracht hatte in all den Jahren, dann war es die Erkenntnis, dass impulsive Handlungen meist Schwierigkeiten herbeiführten, und Schwierigkeiten konnten weitere unangenehme Konsequenzen bedeuten. Sie unternahm nie etwas, ohne zuerst über die Konsequenzen nachzudenken.
    Der erste sexuelle Übergriff - der in juristischer

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