Verborgene Lust
Rücken.
»Raquel mag es lang.«
»Sie macht aus dir einen schmierigen Gigolo!«
Leonardo schwingt herum und wirft sie mit einer geschickten Bewegung aufs Bett.
»Sie bezeichnen mich als schmierigen Typen, Signora Valentina?« Er kitzelt sie unter den Armen.
»Nein, nein … Wie könnte ich?« Sie unterdrückt ein Lachen und sieht ihn unschuldig aus großen Augen an. »Wo ich doch finde, dass du der schärfste Mann von ganz Mailand bist.«
Leonardo setzt sich auf die Fersen, und für den Bruchteil einer Sekunde blitzt Enttäuschung in seinen Augen auf.
»Nur von Mailand, nicht von der ganzen Welt?«, fragt er.
Sie schüttelt den Kopf. Dann mustern sie sich schweigend, und für einen Augenblick fragt sie sich, ob sie das Richtige tun. Dass sie als gute Freunde miteinander schlafen.
»Nun«, hakt Leonardo nach, »kommst du morgen vorbei?«
»Morgen? Klar, Antonella kommt mit.«
Leonardo stöhnt.
»Gott, sie ist wahnsinnig.«
»Ja, wie es aussieht, hat sie ihre dominante Berufung entdeckt«, scherzt Valentina.
Leonardo steht auf und zieht sein Jackett über. Plötzlich verspürt Valentina den Wunsch, ihn aufzuhalten. Sie will nicht den ganzen Tag allein sein. Nicht schon wieder.
»Willst du noch einen Kaffee, bevor du gehst?«, fragt sie, während sie ihren Kimono überzieht und auf ihn zugeht.
»Tut mir leid, Liebes, ich muss los.«
»Sicher? Ich kann dir schnell einen Espresso machen.«
Leonardo umarmt sie flüchtig.
»Ich kann nicht. Raquel wartet auf mich.«
Nachdem er gegangen ist, läuft Valentina durch die Wohnung. Manchmal überlegt sie, von hier wegzuziehen. Sie hat ihr ganzes Leben an diesem Ort verbracht. Als ihre Mutter nach Amerika gegangen ist, hat sie die Wohnung Valentina überlassen und erklärt, sie könne sie auch verkaufen. Die Immobilie ist ein Vermögen wert. Von dem Geld könnte Valentina sich woanders, in einem anderen Land, etwas Großartiges kaufen. Sie muss nicht in Mailand leben. Sie ist Fotografin, sie kann überall auf der Welt arbeiten. Doch die Erinnerungen, die sie verfolgen, helfen ihr auch. Manchmal stellt sie sich vor, sie höre noch immer, wie Thomas in seinem Arbeitszimmer auf der Tastatur tippt und unbekannte Celloklänge in den Flur dringen.
Valentina steht vor der Tür zum Arbeitszimmer und öffnet sie langsam. Sie bleibt im Türrahmen stehen und betrachtet die nackten Wände, die Lücken in den Regalen, aus denen Thomas seine Bücher herausgenommen hat, und den leeren Schreibtisch.
Ihre Brust wird eng, doch sie beißt die Zähne zusammen und betritt das Zimmer. Sie wird nicht weinen. Sie muss über Thomas hinwegkommen, ihr Leben fortsetzen. Sie ist ein Freigeist, und Thomas wollte, dass sie sich zu ihm bekennt. Obwohl er sich das wünschte, hatte er sie jedoch verstanden. Er hatte alles getan, um ihr das zu zeigen. Sie geht durch den Raum und spürt den kühlen Marmorboden unter ihren nackten Fußsohlen. Sie setzt sich in den Schreibtischstuhl, hebt die Füße und dreht sich langsam im Kreis. Sie nimmt seinen Geruch wahr, diesen frischen, trockenen Duft von Bulgari, den sie hinten in ihrem Rachen schmeckt und der sie auch jetzt erregt. Sie schließt die Augen und hört langsam auf, sich zu drehen. Sie setzt die nackten Füße wieder auf dem Boden ab und spreizt die Beine. Zunächst stellt sie sich vor, sie sei Nins Tänzerin, male sich an und zeige sich ihren Bewunderern. Doch langsam verblassen die Augen der Zuschauer, und sie stellt sich vor, dass nur noch ein Mann ihr zusieht. Thomas. Sie schiebt einen Finger in sich hinein.
»Thomas«, flüstert sie. Hier in der Abgeschiedenheit seines Büros kann sie seinen Namen aussprechen. In diesen Momenten malt sie sich aus, dass sie Mailand verlässt, in ein Flugzeug nach London steigt und ihren Mann zurückgewinnt. Sie streichelt sich, schiebt den Finger noch tiefer in sich hinein und tut so, als läge Thomas auf ihr. Sie wird nie vergessen, wie sein Körper sich anfühlt. Sich windend sehnt sie Thomas herbei.
Komm zurück, oh bitte, komm zurück, fleht sie, während sie zum Höhepunkt kommt und dann in sich zusammensackt. Auf das Gefühl der Erlösung folgt augenblicklich Verzweiflung. In ihrem Schmerz umschlingt sie ihre Knie. Es fühlt sich anders an als bei ihrem ersten Liebeskummer wegen Francesco. Damals war sie von Boshaftigkeit und Rachsucht getrieben. Nein, dieses Gefühl ist anders. Als habe sie das Wertvollste verloren, das sie je besessen hatte. Es ist für immer zerbrochen und nicht mehr zu
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