Verborgene Macht
hergeschickt, weil er wusste, was wir hier zu bieten haben: was Sie gewinnen konnten. Er wusste, dass Sie unseren Maßstäben entsprechen würden, er wusste, dass Sie ungeheuer von Ihrer Zeit in der Akademie profitieren konnten. Glauben Sie mir, er hat lange und gründlich nachgedacht, bevor er Sie hierherschickte. Aber er hat Sie hierhergeschickt.«
Cassie war schwindelig. Sie legte die Hände an die Schläfen. »Und sehen Sie sich an, was mir zugestoßen ist«, flüsterte sie. »Wie konnte er das tun?«
»Das hat er nicht vorhersehen können. Niemand von uns hat es vorhersehen können. Er dachte, es sei unmöglich, dass Sie zu einer der Auserwählten werden würden. Er hat mich versprechen lassen, dass ich Ihre Mitbewohnerin klug auswählen würde, dass ich Ihnen die bestmögliche Gefährtin zur Seite stellen würde. Dieses Versprechen habe ich ihm mit Freuden gegeben. Und das ist etwas, das sich wirklich gut entwickelt hat, denke ich?«
Sie rieb sich die Stirn. »Ja. Das ist richtig.«
»Sie müssen wissen, dass Patrick mit einem Mitglied der Auserwählten ein Zimmer geteilt hat. Erik war ein großartiges Mitglied der Auserwählten und ein noch bewundernswerteres menschliches Wesen. Patrick hatte großen Respekt vor ihm und das Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit. Genau wie Sie es mit Isabella gemacht hatten, weigerte Erik sich, Patrick zu täuschen. Er nährte sich von ihm mit Patricks Wissen und Billigung, und es wurde niemals Schaden angerichtet. Ihre Beziehung war so perfekt, wie sie das zwischen einem Auserwählten und seiner Lebensquelle nur sein kann.«
Angesichts der Beiläufigkeit, mit der er das sagte, überlief Cassie ein Schauder des Grauens.
»Patrick wusste, dass Sie in Sicherheit sein würden. Mit dem besten Mädchen als Mitbewohnerin würden Sie geschützt sein, Sie würden privilegiert sein, und er wusste aus eigener Erfahrung, dass Ihnen kein Schaden zustoßen würde. Vor allem dachte er, dass keine Chance bestünde - nicht die geringste Möglichkeit -, dass Sie selbst jemals eine Auserwählte werden würden. Auch Patrick war ein Stipendiat. Er wusste, dass es im Prinzip unmöglich war.«
»Und dann tauchte Estelle auf«, flüsterte Cassie. Sie fühlte sich vollkommen benommen.
Sir Alric nickte ernst. »Gibt es sonst noch etwas, das Sie wissen möchten?«
Langsam schüttelte sie den Kopf. »Nein. Ich möchte nichts weiter darüber wissen. Nur...«
Er beobachtete sie schweigend und abwartend.
»Dieser Kerl, Erik. Patricks Mitbewohner. Sie sagten, er sei ein bewundernswertes menschliches Wesen gewesen.«
»Oh ja. Erik Ragnarsson ist tot.«
Cassie verdaute diese Mitteilung. Nein, sie würde keine weiteren Fragen stellen. Sie wollte nichts mehr wissen.
»Ich hielt es für das Beste, es Ihnen selbst zu erklären und es nicht Patrick zu überlassen. Angesichts Ihrer...« — er hielt inne - »labilen Verfassung. Möchten Sie jetzt mit ihm sprechen?«
Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nein! Nein, ich will ihn nicht sehen.«
»Schön.« Sir Alric neigte den Kopf. »Dann bleibt nur noch, Sie zu fragen, Miss Bell, warum Sie mich überhaupt sprechen wollten.«
Oh, Gott. Das hatte sie beinahe vergessen. Mit zitternder Hand zog Cassie die goldumrahmte Schriftrolle aus der Tasche. Das teure Pergament war kaum zerknittert. Nach dem, was sie gerade erfahren hatte, schien ihr der Ruf des Ältestenrates plötzlich unwichtig. Er kümmerte sie kaum noch.
Nein. Nein, er musste sie kümmern. Sie musste es wissen. Cassie knirschte mit den Zähnen. »Wissen Sie irgendetwas darüber?«
Sir Alric warf einen beiläufigen Blick auf die Schriftrolle. »Ich wusste, dass Sie die Einladung erhalten hatten.«
»Sie wussten es? Wussten Sie, dass sie kommen würde? Vorher, meine ich?«
»Ja.«
Cassie starrte auf das Pergament in ihrer Hand. »Haben Sie es ihnen erzählt? Den Ältesten, meine ich. Haben Sie ihnen von mir erzählt?«
»Selbstverständlich.«
Er klang so gelassen, dass sie ihn am liebsten geohrfeigt hätte.
»Warum?«
Sir Alric lächelte. »Seit den Ereignissen in der Carnegie Hall habe ich mit mehreren meiner Ratskollegen gesprochen, um festzustellen, ob sie irgendeine Erklärung für die Kräfte haben, über die Sie verfügen.«
»Und hatten sie eine Erklärung?« Cassie schluckte vernehmbar. »Was haben Sie herausgefunden?«
»Nichts. Ich fürchte, ich kann Ihnen mit keinen weiteren Informationen dienen, Cassandra. Ich habe mehrere Bücher konsultiert. Bisher bin ich noch auf nichts
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