Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
hinter ihm. „Wohin so eilig?“
Er blieb stehen, blickte über die Schulter und lächelte. „He, Sugar. Ich muss zum Central Grocery und dann nach Haus. Mom wartet.“ Bis vor sechs Monaten hatte Sugar mit seiner Mutter zusammen im Club getanzt. Seit ihr Mann sie und die drei Kinder sitzen gelassen hatte, war sie gezwungen, ganztags auf der Straße zu arbeiten.
„Deine Mama hatte immer ’ne Vorliebe für die Baguettes. Und ich wette, ein großer Junge wie du auch.“ Lachend tätschelte sie ihm die Wange. „Sag deiner Mama, dass ich Hallo gesagt habe. Sag ihr, Brown Sugar geht’s ganz gut.“
„Mach ich. Sie wird sich freuen, das zu hören.“
Santos sah sie davongehen und setzte seinen Weg fort. Sugar war ein Beispiel für die Leute, die seine klugscheißenden Schulberater für schlechten Einfluss hielten. Wie er das sah, tat sie ihr Möglichstes, um ihre Familie zu versorgen. Wie er das sah, bot einem das Leben manchmal eben nichts Besseres als ein Scheißsandwich. Wenn das so war, konnte man entweder essen oder sterben.
Nicht, dass es keine schlechten Menschen im Quarter gegeben hätte. Die gab es reichlich, wie überall. Er unterteilte die Leute in drei Typen: die Besitzenden, die Habenichtse und die, die alles haben wollten. Wie er das sah, war die Trennlinie zwischen diesen drei Gruppen sehr klar gezogen, sie hieß Sparsamkeit, schlicht und einfach.
Die Besitzenden waren unproblematisch. Die genossen ihr Leben mit all dem Reichtum, und solange die Angehörigen der beiden anderen Gruppen ihnen nicht in die Quere kamen, machten sie keinerlei Ärger.
Die, die alles haben wollten, waren das Problem. Sie kamen aus allen Lebensbereichen, gierten nach Geld und Macht und würden jedem alles antun, um es zu bekommen.
Santos hielt sich für einen ziemlich toughen Burschen, aber um solche Leute machte er einen Bogen. Das hatte ihn die Erfahrung gelehrt. Sein Dad hatte zu diesen Typen gehört. Immer hungrig nach dem, was er nicht hatte. Immer begierig, den Herrn hervorzukehren, bereit, die Fäuste gegen die Kleinen oder Schwachen zu erheben. Als hätte ihn das zu einem Mann gemacht.
Sein Daddy. Santos verzog angewidert den Mund. Er hatte nur schlechte Erinnerungen an Samuel „Willy“ Smith. Der Mann war reiner Ölfeldabfall gewesen, hatte sich aber zu gut gedünkt, seine mexikanische Squawfreundin zu heiraten und ihrem Baby seinen Namen zu geben. Er hatte ihn und seine Mama stets nichtsnutzige illegale Halbblut-Einwanderer geschimpft.
Santos erinnerte sich, die pure Erleichterung empfunden zu haben, als der Sheriff eines Morgens zu ihrem Wohnwagen gekommen war und ihnen mitteilte, dass Willy Smith bei einer Barkeilerei ums Leben gekommen war. Man hatte ihm die Kehle durchschnitten. Trotzdem dachte Santos gelegentlich an seinen alten Herrn und fragte sich, wie es ihm in der Hölle gefiel.
Santos erreichte den Laden, ging hinein und war dankbar für die kühle Luft, die ihm beim Öffnen der Tür entgegenwehte. Er bestellte die Baguettes, plauderte mit dem Mädchen am Tresen, während er wartete, und zehn Minuten später war er wieder auf der Straße, die Po’boys und ein paar Flaschen Barq’s in einer braunen Papiertüte.
Er lebte mit seiner Mutter an der Ursuline, in einem kleinen Apartment im ersten Stock. Die Wohnung war sauber, billig und nicht klimatisiert. Sie ertrugen die Sommermonate mit zwei kleinen Fensterklimaanlagen, eine für jedes Schlafzimmer. Manchmal war es in Küche und Wohnraum so heiß, dass sie auf den Betten aßen.
Santos erreichte ihr Haus, lief die eine Treppe hoch und schloss die Wohnungstür auf. „Mom!“ rief er. „Ich bin zurück.“
Seine Mutter kam aus dem Schlafzimmer, eine Bürste in der Hand, das Gesicht maskenhaft durch das dicke Make-up, das sie zur Arbeit trug. Sie hatte ihm mal erzählt, dass sie sich zum Tanzen gern schminkte, weil es ihr das Gefühl gab, jemand anders zu sein, wenn sie dort auf der Bühne von den Männern angestarrt wurde. Sie hatte auch gesagt, dass die Männer, die in den Club kamen, es liebten, wenn sie billig aussah. Wie eine Nutte oder so was. Das erhöhte den Reiz. Santos fand das ziemlich beschissen und wünschte, seine Mutter müsste das nicht tun.
Sie schloss die Schlafzimmertür hinter sich, um die kühle Luft nicht entweichen zu lassen. „Hallo, Darling, wie war dein Tag?“
„Okay.“ Er legte die Sicherheitskette vor. „Ich habe die Baguettes.“
„Großartig, ich verhungere.“ Sie deutete auf ihr Schlafzimmer. „Lass
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