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Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Titel: Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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Tina rang um Fassung. „Ich weiß nicht, wo ich hinsoll. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Kannst du mir … helfen?“
    „Ich versuch’s“, erwiderte Santos, obwohl er bezweifelte, ihr geben zu können, was sie wirklich brauchte: einen sicheren Platz zum Schlafen und Angstfreiheit. Er setzte sich wieder. „Wohin möchtest du denn, Tina?“
    „Nach Hause“, flüsterte sie mit Tränen in den Augen. Sie verkrampfte die Hände im Schoß und kämpfte gegen die Tränen an. „Aber ich kann nicht.“
    Er verstand und schürzte nachdenklich die Lippen. „Woher kommst du?“
    „Algiers. Meine Mutter und …“
    Das Heulen einer Polizeisirene zerriss die stille Nacht und störte wie eine Obszönität.
    „O mein Gott!“ Tina sprang auf. Sie sah sich wild um wie ein gefangenes Tier, als sehe sie ihre Umgebung zum ersten Mal.
    Santos stand ebenfalls auf. „He, Tina … beruhige dich. Es ist okay. Es ist nur …“
    Eine zweite Sirene folgte der ersten, dann eine dritte. Die Einsatzwagen fuhren nah am Gebäude vorbei. Rotes Alarmlicht erhellte die Dunkelheit, drang durch Ritzen und Fugen und schuf ein sonderbares, beängstigendes Kaleidoskop. Es war, als wären ein Dutzend Polizeiautos auf sie herabgefallen.
    „Nein!“ schrie Tina und bedeckte sich die Ohren. „Nein!“
    „Es ist okay … Tina …“ Santos legte ihr eine Hand auf den Arm. Sie wirbelte zu ihm herum, das Gesicht eine Maske des Entsetzens. Im nächsten Moment riss sie sich von ihm los und rannte zur Tür. Santos folgte ihr, erwischte sie kurz vor der Tür, schloss sie in die Arme und hielt sie fest.
    Sie wehrte sich hysterisch, trat, schrie und trommelte mit den Fäusten auf ihn ein. „Lass das! Du musst mich gehen lassen. Du musst!“
    „Du tust dir nur weh!“ Santos wich ihren Schlägen so gut es ging aus und stöhnte auf, als sie ihn seitlich am Hals traf. „Verdammt, Tina, die Treppe ist …“
    „Sie kommen … er hat sie geschickt. Sie …“
    „Wer, er?“ Santos packte sie an den Oberarmen und schüttelte sie. „Tina, niemand kommt. Niemand wird dir etwas tun. Hör nur, die Sirenen sind weg.“
    Schluchzend lehnte sie sich an ihn und zitterte so heftig, als hätte sie Zuckungen. „Du verstehst nicht.“ Sie krallte die Finger in sein T-Shirt. „Er wird sie schicken … er hat es gesagt.“
    Nach einer Weile beruhigte sie sich. Völlig erschöpft sank sie gegen ihn. Santos führte sie in eine Zimmerecke, wo eine Matratze lag. Sie ließ sich darauf nieder und rollte sich verzweifelt zu einem Ball zusammen.
    Santos setzte sich neben sie, die Knie angezogen. „Möchtest du darüber reden?“
    Obwohl sie schwieg, verriet ihm etwas an ihrer Atmung, an der Art, wie sie immer wieder wie zum Sprechen Luft holte, dass sie reden wollte. Schließlich begann sie resigniert und verzweifelt: „Ich dachte … sie kämen mich holen. Ich dachte, er hätte sie geschickt.“
    „Die Bullen? Du dachtest, die Bullen kämen deinetwegen?“
    Sie nickte und rollte sich noch fester zusammen.
    „Aber warum?“ murmelte Santos mehr zu sich selbst. „Du dachtest, er hätte sie geschickt. Wer?“
    „Mein Stiefvater. Er ist ein Cop.“ Tina bebte, dass ihr die Zähne klapperten, und schlang die Arme fester um sich. „Er sagte mir, wenn ich je versuchen sollte … ihm zu entkommen, würde er mich finden. Er sagte, er würde mich finden und …“
    Sie ließ den Satz unbeendet, und Santos konnte nur mutmaßen, was er gedroht hatte, ihr anzutun. Nach ihrer Angst zu urteilen, musste es schlimm sein.
    Noch schlimmer als das, was er ihr vermutlich schon angetan hat, der Bastard.
    Santos verschränkte die Finger ineinander. „Ich lebe mit meiner Mutter. Sie ist ziemlich cool, aber mein Dad war ein echter Mistkerl. Er hat mich immer geschlagen. Er ist tot.“ Tina sagte nicht, dass es ihr Leid tue, denn sie wusste, dass es ihm nicht Leid tat. Kinder, die die Hölle durchgemacht hatten, verstanden einander ohne Worte. „Ich vermute, dein Stiefvater ist auch ein Mistkerl.“
    „Ich hasse ihn!“ stieß sie heftig hervor, die Stimme tränenerstickt. „Er … tut mir weh. Er … fasst mich an.“
    Santos krampfte sich der Magen zusammen. „Also bist du weggelaufen.“
    „Andernfalls hätte ich mich umgebracht.“ Sie setzte sich hin und sah Santos an. Er erkannte an ihrem Gesicht, dass sie es ernst meinte. Sie hatte den Tod als einen möglichen Ausweg in Betracht gezogen. „Ich hatte nicht den Mut.“
    „Hast du jemand davon erzählt?“
    „Meiner Mutter.“

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