Verbotene Geschichte
Gilgamesch, König der sumerischen Stadt Uruk – Sprünge über Länder- und Epochengrenzen seien bei diesem Thema bitte gestattet – war der I. Tafel (Verse 7 und 8) des gleichnamigen Epos zufolge sogar selbst ein Riese: Zu
einem Drittel Mensch und zu zwei Dritteln Gott, soll er an die fünfeinhalb Meter groß gewesen sein.
Doch der berühmteste aller Hünen ist vermutlich Goliath. Das erste Buch Samuel weiß über ihn:
» D a trat aus dem Lager der Philister ein Vorkämpfer namens Goliath aus Gat hervor. Er war sechs Ellen und eine Spanne groß. Auf seinem Kopf hatte er einen Helm aus Bronze, und er trug einen Schuppenpanzer aus Bronze, der fünftausend Schekel wog. Er hatte bronzene Schienen an den Beinen, und zwischen seinen Schultern hing ein Sichelschwert aus Bronze. Der Schaft seines Speeres war (so dick) wie ein Weberbaum, und die eiserne Speerspitze wog sechshundert Schekel. (1. Sam. 14,4ff.)
Eine beeindruckende Gestalt. Wie groß der Gigant allerdings wirklich gewesen sein könnte – falls es ihn denn je gab -, lässt sich heute aufgrund variierender Angaben zu biblischen Längenmaßen nicht mehr zweifelsfrei bestimmen. Aber drei Meter bis drei fuffzich könnten es schon gewesen sein. Womit er gewiss Manns genug war, einen Schuppenpanzer von fast 60 Kilogramm am Leib zu tragen. Und dann kam ja auch noch die eiserne Speerspitze hinzu, die mit sieben Kilo zu Buche schlug... Alles nur Märchen, Sage, Mythos? Oder gab es einst wirklich Menschen, die beinahe doppelt so groß waren wie die Durchschnittsbevölkerung?
Wie verhält es sich etwa mit König »Og von Baschan, der noch von den Riesen übrig geblieben war und in Aschtarot
und Edrei wohnte« (Jos. 12,4)? Moses soll seinerzeit mit ihm zu tun gehabt und ihn besiegt haben. Und dabei wurde Unglaubliches ruchbar: Ogs Sarg (möglicherweise auch sein Bett – aber was die Größe betrifft, dürfte das in etwa auf dasselbe herauskommen) war angeblich »neun gewöhnliche Ellen lang und vier breit« (Deut. 3,11). Mein lieber Scholli!
Nebenbei bemerkt: Die biblischen Riesen zeichneten sich nicht nur durch ihren Wuchs aus, sondern hatten auch andere ungewöhnliche Körpermerkmale: Goliaths Bruder Lachmi aus dem Geschlecht der Raphaiter zum Beispiel, der von einem Neffen Davids erschlagen wurde, soll sechs Finger und ebenso viele Zehen gehabt haben, wenn man dem zweiten Buch Samuel (21,20) oder auch dem ersten Buch der Chronik (20,5ff.) Glauben schenkt.
Letztlich aber half alles nichts: Ausnahmslos jeder Riese fiel dem kleinen David und seinen Mannen zum Opfer. Oder wurde irgendwie sonst um die Ecke gebracht.
Kamen demnach nicht alle Riesen in der Sintflut ums Leben, wie die griechische Apokalypse des Baruch aus dem zweiten Jahrhundert nahelegt?
» E s brachte Gott die Sintflut auf die Erde und tilgte alles Fleisch und auch die 4 090 000 Riesen. Das Wasser stand um fünfzehn Ellen höher, als je die höchsten Berge waren.« (4,10)
Einer jüdischen Legende zufolge blieb jedenfalls Og dieses Schicksal erspart – vielleicht war er ja der 4 090 001. Riese? Demnach hätte Noah ihn auf seiner Arche mitgenommen,
seiner Größe wegen allerdings auf dem Dach des Schiffes. Später dann verliebte sich Og in Abrahams Frau Sarah. Und bekam prompt Ärger mit Israel...
Herrschender Meinung zufolge sind Riesen Fantasiegestalten aus längst vergangenen Zeiten. Doch im Guinness Buch der Rekorde wird in der Kategorie »Der menschliche Körper« ein Amerikaner namens Robert Wadlow erwähnt, der 1940 starb – und 2,72 Meter groß war. Ein möglicher realer Hintergrund des Riesen-Mythos wird – und wohl nicht nur deshalb – zunehmend auch von der etablierten Wissenschaft eingeräumt. Da ist von bestimmten Krankheiten die Rede oder auch von Gendefekten, die ursächlich sein könnten. Dr. Vladimir Berginer zum Beispiel, Neurologe an der Universität von Negev, Israel, ist der Meinung, Davids Widersacher Goliath könne an »Akromegalie« gelitten haben, einer »ausgeprägten Vergrößerung der Körperendglieder«.
Oft waren es aber auch Knochenfunde, die die Menschen im Altertum und in der frühen Neuzeit zu Geschichten über Riesen inspirierten, die Gebeine eines Mammuts zum Beispiel.
So wurde im 17. Jahrhundert etwa im Oppenheimer Wirtshaus »Zum Riesen« (!) stolz ein 1,27 Meter langer Knochen präsentiert. Und bei Reiden in der Nähe des Vierwaldstätter Sees waren schon 1577 die Knochen eines vermeintlichen Riesen gefunden worden, der
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