Verbotene Lust
hatten sie sich aufs Sofa gekuschelt, gemeinsam eine Flasche Grauburgunder geleert und zum ersten Mal seit Ewigkeiten gar nicht viel sagen müssen. Ein bisschen hatte es sich angefühlt wie in den ersten Tagen ihrer Ehe. Sie glaubte, sich zu erinnern, dass sie einander damals auch einfach genügt hatten. Dass sie damals nicht nach dem Kick gesucht hatten.
Als sie unten die Haustür zuschlagen hörte, stand sie auf. Ihr Körper war nackt, warm, und er roch nach Sex. Sie liebte ihren Körper meistens, aber so war er ihr am liebsten. Sie lief ins Bad, drehte die Dusche aufund wartete, bis heißer Wasserdampf das kleine Badezimmer füllte, ehe sie unter die Dusche trat. Sie seufzte zufrieden.
Nachdem Marlene angerufen und mitgeteilt hatte, dass sie erst heute zurückkäme, waren sie ins Bett gegangen und hatten sich erneut geliebt. Danach waren sie dicht aneinandergeschmiegt eingeschlafen.
Sonja konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt so glücklich gewesen war. Und es kümmerte sie auch nicht, dass es schon halb zehn war, als sie endlich nach unten kam. Sie kochte Kaffee und wollte gerade ins Arbeitszimmer gehen, als das alte, wuchtige schwarze Telefon mit Wählscheibe, das auf dem Tischchen neben der Haustür stand, scheppernd klingelte.
Sie hatte es bisher für einen originellen Dekogegenstand gehalten.
Zögernd nahm sie ab. »Hallo?«
»Wie gut, dass ich Sie erreiche!« Es war ihre Lektorin. »Ich habe es gestern Abend schon auf Ihrem Handy versucht, aber entweder hat unser lieber Verleger sein Strandhaus in ein Funkloch gebaut, oder Sie haben Ihr Handy ausgeschaltet. Letzteres fände ich löblich, wenn Sie mir sagen könnten, dass Sie mir die ersten hundert Seiten für die Konferenz am nächsten Dienstag schicken können.«
Sonja lachte erleichtert. »Kein Problem!«, versprach sie fröhlich. »Ich werde mal schauen, ob ich Internet habe, dann schicke ich Ihnen die Seiten heute Nachmittag.«
»Phantastisch! Sie kommen also voran?«
»O ja. Sie hatten recht, dieses Haus wirkt wahre Wunder.«
»So soll es sein.« Ihre Lektorin klang zufrieden. »Ach, noch etwas: Können Sie vielleicht Ihren Flow für einen Termin am Freitag hier in Hamburg unterbrechen?«
»Diese Woche? Oder nächste Woche?«
»Nächste Woche reicht auch. Ich will Sie ja nicht überrumpeln.«
»Kein Problem«, befand Sonja gutgelaunt. Bis dahin hatte sie noch über eine Woche Zeit zu schreiben. Sie glaubte, mit dem sicheren Gefühl nach Hamburg reisen zu dürfen, den Abgabetermin einhalten zu können.
Sie verabschiedeten sich herzlich. Sonja tänzelte ins Arbeitszimmer und begann mit der Arbeit.
Später kam André vom Laufen zurück, duschte und machte anschließend Frühstück. Dann arbeitete sie weiter. Jedes Mal, wenn sie glaubte, am Ende eines Erzählabschnitts angelangt zu sein, tauchte vor ihrem inneren Auge die nächste Szene bereits so plastisch auf, als liefe in ihrem Kopf ein Kinofilm ab, den sie nur noch aufschreiben musste.
Am Spätnachmittag hörte sie André lachen. War Marlene zurück?
Sie ging in den Wohnraum. André und Marlene saßen nebeneinander auf dem Sofa und aßen Weintrauben aus einer Schale, die sie hin und her reichten. Gerade bückte André sich und klaubte eine Traube vom Teppich auf. Er wischte nachlässig Flusen und Sandkörner herunter, ehe er sie in den Mund steckte.
»Hey, bist du schon fertig für heute? Marlene hat für uns auf dem Rückweg eingekauft. Heute Abend gibt es Fisch.«
Sonja lächelte. »Klingt gut. Wie war es in Berlin?«
»Ach, anstrengend.« Marlene stand auf. Sie trat mit der Obstschale in der Hand zu Sonja und bot ihr die Traube an, die sie zwischen den Fingern hielt. Sonja wollte sie mit Zeigefinger und Daumen umfassen, doch Marlene schüttelte stumm den Kopf, so dass sie sich dem Wunsch beugte und die Traube mit den Lippen entgegennahm, als wäre dies ein heiliger Akt. Die Süße zerplatzte auf ihrer Zunge.
»Was wolltest du eigentlich in Berlin?«, fragte André.
Es fiel Sonja schwer, sich auf Marlenes Antwort zu konzentrieren. Sie leckte Marlenes Finger ab, die klebrig und süß von den Trauben waren. Ihre Blicke trafen sich.
»Nichts Besonderes.« Sie hielt Sonja die nächste Traube hin. »Meine Freundin brauchte Hilfe. Ich hab den Wagen übrigens vollgetankt«, fügte sie an André gewandt hinzu. »Wenn ich ihn schon leer fahre, ist das ja das mindeste, was ich tun kann.«
Sonja fragte sich, woher Marlene das Geld hatte. Aber mein Gott, eine Tankfüllung und ein
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