Verbotene Lust
besser war als alles andere. Besser als alles, was sie in den letzten Jahren gemeinsam und mit anderen getrieben hatten.
* * *
Natürlich wusste sie, wo er wohnte. Damit hatte es schließlich angefangen. Eine Woche war das erst her, und manchmal glaubte sie, eine Woche konnte eine Ewigkeit sein.
Wenn er gewusst hätte, dass sie seine genaue Adresse kannte, hätte André ihr sicher nicht seinen Autoschlüssel überreicht, an dem sämtliche andere Schlüssel baumelten. Sie lenkte den Wagen in die Tiefgarage des Luxusapartmentkomplexes und suchte nach dem Parkplatz, der seinem dunkelblauen Lexus zugewiesen war. Sie parkte und blieb einen Moment im Wagen sitzen. Dachte über ihre nächsten Schritte nach.
Es war nicht ganz ohne Risiko. Es konnte gut sein,dass in der Wohnung eine Alarmanlage installiert war. Oder dass ein Nachbar sie überraschte. Was sollte sie dann tun? Den Wagen stehen lassen? Wohl kaum. Dann musste sie tatsächlich schleunigst zurück in die Tiefgarage. Und fliehen.
Sie hätte in einer Seitenstraße parken sollen. Jetzt war es dafür aber zu spät.
Die Metalltür zum Hausflur wurde geöffnet.
Unwillkürlich rutschte Marlene tiefer in den Sitz. Sie wartete, bis die Schritte verklangen. Eine Autotür wurde zugeschlagen, dann heulte ein Motor auf.
Sie stieg aus und ging zielstrebig zur Metalltür. Sie betrat den Hausflur und stieg die Treppe hinauf. Den Aufzug mied sie, weil sie das Risiko minimieren wollte, jemandem zu begegnen.
Vielleicht war es ohnehin großer Schwachsinn, hier herumzulaufen. Aber sie konnte nicht anders. Sie musste sehen, wie er wohnte. Wie gut er es hatte. Oh, sie wusste jetzt schon genug, um ihren Hass auf ihn zu schüren. Aber sie wollte mehr sehen. Sie wollte auch Sonja hassen, wollte sie verabscheuen, wie sie André verabscheute.
Das würde es einfacher machen.
Sie verharrte vor der Wohnungstür. Wählte mit Bedacht den Schlüssel, von dem sie glaubte, dass er zur Wohnung gehörte.
Er passte auf Anhieb. Sie hielt den Atem an, als das Schloss leise klickte. Dann schob sie die Tür entschlossen auf, drückte den Lichtschalter im Flur und schaute sich um.
Keine Alarmanlage.
Nur langsam beruhigte sich ihr Herzschlag.
Sie schritt die einzelnen Räume der Wohnung ab, machte überall Licht und schaute sich in Ruhe um. Sie war überrascht, wie kühl und kahl manche Räume wirkten; sicher entsprach dieser Einrichtungsstil vor allem seinem Geschmack. Ja, das würde zu ihm passen.
Nur ein Raum war anders: Ein gemütlicher, breiter Ledersessel stand in einer Ecke, drei der vier Wände waren mit Bücherregalen vollgestellt, die bis an die Decke reichten. Ein warmer, rötlicher Holzfußboden war hier verlegt, auf dem ein naturfarbener Teppich lag. Der Schreibtisch war sorgfältig aufgeräumt.
Das war also Sonjas Reich.
Sie blieb mitten im Raum stehen und versuchte, sich vorzustellen, wie Sonja hier arbeitete. Welchen Ausblick sie wohl genoss, wenn sie vom Monitor hoch und aus dem Fenster schaute? Ob sie viel Zeit in dem Sessel verbrachte?
Marlene setzte sich. Sie nahm das oberste Buch vom Stapel, der auf dem Beistelltisch aufgeschichtet war. Sie blätterte es durch, las ein paar Zeilen. So lebte sie also. Das war ihr Reich. Ja, es passte zu ihr. Passte viel besser als der Rest der Wohnung, der kalt und leblos war.
Sie schritt die anderen Räume ab. Im Schlafzimmer zog sie die Schubladen der Kommode auf und inspizierte Sonjas Wäsche. Sie fand in der Nachttischschublade auf der linken Bettseite Gleitgel, Liebeskugeln, einen Dildo und Kondome. Marlene setzte sich aufs Bett. Sie sank nach hinten, vergrub das Gesicht im Kissen und glaubte, Sonjas süßen Honigduft zu erschnuppern.
Sie hatte es sich einfacher vorgestellt. Wenn Sonja nicht wäre. Aber sie mochte Sonja. Das, was heuteMorgen passiert war, war in gewissem Sinne auch Teil ihres Plans. Doch es hatte sie überrascht, wie sehr Sonja und sie sich in der Lust verloren hatten. Wäre Sonja nicht seine Frau, wäre sie nicht, wie alles, was André nur berührte, von Dreck besudelt, hätte Marlene sich erlaubt, von mehr zu träumen.
Aber sie hatte einen Plan, den sie nicht aus den Augen verlieren durfte.
Sie ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Wäre es nicht einfacher, wenn sie einen Joghurt … vergiftete? Aber nein, die Gefahr war zu groß, dass Sonja ihn erwischte. Es ging ihr nicht um Sonja. Obwohl sie ahnte, dass sie leiden würde. Das ließ sich wohl nicht vermeiden.
Sie sollte sich einfach an den
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