Verbotene Sehnsucht
wie ein Mörder seiner Bestrafung. Als er Missy dann gleich an der Eingangstür begegnete, spürte er eine unerwartete und irgendwie fremde Heißblütigkeit bei ihr, die sie sich offenbar eigens für ihn zugelegt hatte. Nur um ihn zu verführen und zu quälen. Als ob sie nicht immer schon begehrenswert genug gewesen wäre. Und sie schaute ihn an mit einem Blick, der ihm verriet, dass sie ihn an diesem Wochenende in die Falle locken würde. Komme, was da wolle.
Er hatte beschlossen, ihr nicht auszuweichen, und sich ohne größere Schwierigkeiten aus der Gesellschaft ihres Bruders befreit und war auch Cartwright losgeworden, der bei den Ställen blieb. Am besten, er brachte die Angelegenheit schnellstmöglichst hinter sich, um anschließend wenigstens mit einem gewissen Seelenfrieden belohnt zu werden, wenn sein Körper ihm schon keine Ruhe gönnte.
Aber als er ihr in die Augen sah, verfluchte er sich für das, was er tun musste. Ihr wehzutun war einfach schändlich. Trotzdem blieb ihm keine andere Wahl, als sie in Hinsicht auf seine Person zu entmutigen. Nichts hatte sich geändert, seit sie in die Gesellschaft eingeführt worden war. Obwohl er sich mit aller Macht zu ihr hingezogen fühlte, wollte er keine Verpflichtung eingehen, denn er hing der festen Überzeugung an, dass aus ihm niemals ein fürsorglicher und treuer Ehemann werden konnte. Missy hingegen erwartete genau das– und zudem, dass er ihr die Sterne vom Himmel holte.
Dann war da noch Armstrong. Obwohl ihre Freundschaft im Laufe der Jahre bereits einige Bewährungsproben bestanden hatte und aus jeder nur stärker hervorgegangen war, musste er aufpassen. Denn was Missy betraf, verstand Thomas keinen Spaß. Sobald er sich seiner Schwester mehr als üblich anzunähern wagte oder wenn er ihr ganz offiziell den Hof machte, wäre es vorbei mit der Freundschaft.
Was vor allem daran lag, dass Armstrong nur zu gut wusste, welchen Ruf James genoss. Wie ihn selbst ordnete ihn die Gesellschaft in die Kategorie der » reuelosen Wüstlinge« ein, denn gemeinsam hatten sie sich Schritt für Schritt diesen zweifelhaften Ruhm verdient. Kein Wunder, dass er in den Augen des Freundes für Missy in keiner Weise infrage kam. Außerdem hatte Armstrongs Dankbarkeit gegenüber Granville ihn für alle anderen Kandidaten blind gemacht. Nicht dass James für sich beanspruchte, auch nur ansatzweise zu diesem Kreis ernsthafter Bewerber zählen zu können. Ganz im Gegenteil. Er war so unpassend für Missy, wie ein Mann es nur sein konnte.
Alles wäre viel einfacher gewesen, wenn er sie überhaupt nicht sehen müsste. Liebe Güte, wenn ihre Mutter ihn nicht immer wieder einladen würde, hätte er längst schon seine Besuche auf Stoneridge Hall eingestellt und alles getan, um sich die Verlockungen vom Leib zu halten.
James musste gründlich über sie nachdenken und dann die richtige Entscheidung fällen. Eben genau das tun, was ein Gentleman tun würde. Er blickte sie gefasst, jedoch düster an. » Es tut mir leid. Meine Antwort war vollkommen unangebracht. Aber es entspricht der Wahrheit, dass ich dir nicht aus dem Weg gehe. Es liegt ganz einfach an der Natur der Dinge, dass unser Verhältnis sich verändert hat.«
» Ja, das verstehe ich sehr gut. Nur was das mit unserer Freundschaft zu tun hat, dass die darüber zerbricht, das will mir nicht in den Kopf.«
Eine Andeutung von Schmerz in ihrer Stimme verursachte einen Kloß in seinem Hals. Er schluckte schwer, während er sich in Erinnerung rief, dass er all das nur für sie tat. » Du musst einfach begreifen, dass wir uns zwangsläufig zunehmend auseinanderleben. Du solltest deine Gedanken und deine Kraft darauf richten, jemanden zu finden, den du heiraten kannst. Einen der feinen Gentlemen aus den Salons.« Obwohl die Vorstellung, ihre Aufmerksamkeit auf Granville oder einen anderen wilden Kerl zu lenken, ihm nicht unbedingt Erleichterung verschaffte. Rücksichtslos schob er seine Gefühle beiseite.
» Würdest du dich selbst als feinen Gentleman bezeichnen?«, fragte sie mit sanfter Stimme und schaute zu ihm auf. Die kastanienbraunen Locken ringelten sich über ihre cremefarbenen Wangen.
Die Frage traf James bis ins Mark. Es war ihm schon schwergefallen, der Missy zu widerstehen, die sich ihm mit kindlich stürmischer Naivität an den Hals geworfen hatte, doch wenn er in die wunderschönen Augen der erwachsenen jungen Dame sah und dort die älteste Einladung der Welt las, dann war es, als würde man einen gesunden Mann
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