Verbotener Kuss
nicht, dass Aiden wirklich Spaß haben konnte. Genauso, wie ich es nicht ertragen konnte, richtig, ganz richtig darüber nachzudenken, was Mom passiert war. Überlebenden-Syndrom– so nannte man das wohl. Aiden streckte die Hand aus und klopfte mir auf den Arm. » Was denkst du? «
Ich blickte auf und stellte fest, dass er mich musterte. » Ich habe nur… nachgedacht. «
Er wich zurück, lehnte sich an die Wand und betrachtete mich neugierig. » Worüber? «
» Es fällt dir schwer… Spaß zu haben, oder? Ich meine, du unternimmst doch nie etwas. Bisher habe ich dich immer mit Kain oder Leon gesehen, nie mit einem Mädchen. Einmal hattest du Jeans an… « Errötend verstummte ich. Was hatten meine Argumente damit zu tun, dass ich ihn in einer Hose gesehen hatte? Aber es war ein großartiger Anblick gewesen. » Sicher fällt es dir schwer, nach allem, was deinen Eltern passiert ist. «
Aiden stieß sich von der Wand ab. Seine Augen wirkten plötzlich stahlgrau. » Ich habe Freunde, Alex, und ich weiß, wie man Spaß hat. «
Meine Wangen wurden noch heißer. Anscheinend hatte ich einen wunden Punkt getroffen. Ups! Mit einem schlechten Gefühl beendete ich das Training und kehrte eilig ins Wohnheim zurück. Was dachte ich mir dabei, immer wieder den Mund aufzureißen?
Angewidert duschte ich und zog Shorts an. Kurz darauf begab ich mich wieder ins rauschende Zentrum des Campus und traf mich in der Cafeteria mit Caleb. Ich war entschlossen, mein Ungeschick zu vergessen.
Caleb war schon da und in ein Gespräch mit einem anderen Halbblut vertieft. Dabei ging es um die Frage, wer am Ende des letzten Semesters bei den Gefechtsübungen besser abgeschnitten hatte. Da ich noch nie an Feldübungen teilgenommen hatte, blieb ich bei der Unterhaltung ziemlich außen vor. Ich fühlte mich wie eine Versagerin.
» Gehst du heute Abend zu der Party? « , fragte Caleb.
Ich blickte auf. » Glaub schon. Ich habe schließlich nichts Besseres vor. «
» Pass nur auf, dass es nicht so ausgeht wie letztes Mal! «
Ich warf ihm einen bösen Blick zu. » Und lass du mich nicht hängen, während du dich nach Myrtle Beach absetzt, du Mistkerl. «
Caleb lachte leise. » Du hättest mitfahren sollen. Lea hat die ganze Zeit gezickt, bis zu dem Moment, als sie Jackson ohne dich gesehen hat. Sie hat praktisch allen den Abend vermiest. Na ja, eigentlich war Cody derjenige, der alles richtig verdorben hat. «
Ich zog die Beine hoch und lehnte mich auf meinem Platz zurück. Diese Geschichte war mir noch nicht zu Ohren gekommen. » Was ist passiert? «
Er schnitt eine Grimasse. » Jemand fing wieder mit diesem Zeug über die Fortpflanzungsgesetze an, und Cody war richtig neben der Spur und quatschte nichts als Unsinn. Er behauptete, wir Halbblüter gehörten nicht in den Rat. «
» Das ist bestimmt gut angekommen. «
Caleb grinste in sich hinein. » Ja, und dann hat er gemeint, dass die beiden Völker sich nicht vermischen sollten, und den größten Mist über die Reinheit ihres Bluts von sich gegeben. « Er unterbrach sich und sah jemandem, der sich hinter mir befand, mit großem Interesse entgegen.
Ich fuhr herum, erhaschte aber nur noch einen Blick auf karamellfarbene Haut und lockiges langes Haar. Mit gerunzelter Stirn wandte ich mich wieder zu ihm um. » Also, was ist passiert? «
» Ähem… einige Halbblüter sind ziemlich sauer geworden. Und als Nächstes sehen wir, wie Cody und Jackson sich prügeln. Mann, die sind richtig zur Sache gegangen. «
Ich riss die Augen auf. » Was? Und, hat Cody ihn gemeldet? «
» Nein « , antwortete Caleb grinsend. » Zarak hat Cody davon abgebracht, aber er musste richtig Druck machen. Das war ziemlich cool. Natürlich haben die beiden Blödmänner sich danach vertragen. Inzwischen verstehen sie sich wieder großartig. «
Erleichtert ließ ich mich zurücksinken. Ein Reinblut zu schlagen– sogar in Notwehr–, war die sicherste Methode, um aus dem Covenant zu fliegen. Wer ein Reinblut tötete, ganz gleich, in welcher Situation, wurde hingerichtet, sogar wenn der andere ihm fast den Kopf abgeschlagen hätte. So unfair das war, wir mussten vorsichtig sein, wenn wir uns in der Politik der reinblütigen Welt bewegten. Gegenseitig konnten wir uns gern zu Brei schlagen, aber die Reinblüter waren in mehr als einer Hinsicht unantastbar. Und wenn wir zufällig gegen eine der Regeln verstießen… ja, dann trennte uns nur ein Schritt von einem Leben in Knechtschaft– oder vom Tod.
Schaudernd
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