Verbotener Kuss

scharfem Blick zu mir auf, und als sie sprach, krächzte ihre Stimme nicht mehr. Sie klang auch gar nicht mehr verrückt. O nein, ihre Worte waren deutlich und auf den Punkt genau zu hören.
    » Du wirst diejenigen töten, die du liebst. Es liegt dir im Blut, es ist deine Bestimmung. So haben die Götter gesprochen, und so haben die Götter es vorhergesehen. «

9. Kapitel

    A lex! Pass auf seine Hände auf! Du lässt zu viele Blocks durchgehen! «
    Ich nickte zu Aidens harten Worten und nahm zusammen mit Kain erneut die Angriffsstellung ein. Aiden hatte recht, Kain machte mich fertig. Ich bewegte mich zu langsam, zu ruckartig und ließ mich ablenken. Größtenteils lag das daran, dass ich die halbe Nacht aufgewesen war und immer wieder das bizarre Gespräch mit Grandma Piperi abgespult hatte.
    Es war wirklich ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, um sich in Gedanken zu verlieren. An diesem Tag fand das erste Training mit Kain statt, und ich kämpfte wie ein Kleinkind. Kain machte es mir allerdings nicht leicht. Das hätte ich gar nicht gewollt, aber ich hatte auch keine Lust, vor einem weiteren Wächter wie eine lahme Ente auszusehen.
    Einer seiner rücksichtslosen Tritte durchdrang meine Abwehr, und ich duckte mich für den Bruchteil einer Sekunde weg, bevor er mich traf. Ausweichen war allerdings nicht Zweck dieser Übung. Wenn, dann wäre ich überragend darin gewesen.
    Daraufhin kam Aiden zu mir herüber und brachte meine Arme so in Stellung, dass sie Kains Bein erfolgreich nach unten geschlagen hätten. » Beobachte ihn! Auch das kleinste Muskelzucken verrät, dass er angreifen will. Du musst aufpassen, Alex. «
    » Ich weiß. « Ich trat einen Schritt zurück und fuhr mir mit dem Arm über die Stirn. » Ich weiß. Ich kann’s. «
    Kain schüttelte den Kopf und ging zu seiner Wasserflasche, während Aiden mir eine Hand um den Oberarm legte und mich auf die andere Seite des Raums führte. Er ging in die Knie, bis wir uns auf Augenhöhe befanden. » Was ist heute mit dir los? Ich weiß, dass du’s besser kannst. «
    Ich bückte mich, um nach meinem Wasser zu greifen, aber die Flasche war leer. Aiden reichte mir seine. » Ich bin bloß… heute neben der Spur. « Ich trank einen Schluck und gab sie ihm zurück.
    » Das merke ich. «
    Errötend biss ich mir auf die Lippen. Ich war besser, und bei den Göttern, ich wollte es Aiden beweisen! Wenn ich es nicht schaffte, dann käme ich zu nichts anderem– auch nicht zu den verdammt coolen Sachen, die ich noch lernen wollte.
    » Du bist schon den ganzen Tag abgelenkt, Alex. « Er sah mir unverwandt in die Augen. » Hat es etwas mit Jacksons Strandparty gestern Abend zu tun? «
    Meine Güte, wusste dieser Mann tatsächlich über alles Bescheid? Ich schüttelte den Kopf. » Hat es nicht. «
    Aiden warf mir einen wissenden Blick zu, trank aus der Flasche und drückte sie mir wieder in die Hand. » Trink aus! «
    Seufzend wandte ich mich ab. » Ziehen wir’s noch einmal durch, ja? «
    Aiden winkte Kain heran und klopfte mir auf die Schulter. » Du kannst es, Alex. «
    Nachdem ich mich zusammengenommen und einen weiteren großen Schluck getrunken hatte, ließ ich die Flasche zu Boden fallen. Ich kehrte zur Mitte der Matten zurück und nickte Kain zu.
    Kain beobachtete mich argwöhnisch. » Fertig? «
    » Ja. « Ich biss die Zähne zusammen. Kain zog die Augenbrauen hoch und schien zu bezweifeln, dass ich mich diesmal anders anstellen würde.
    » In Ordnung. « Er schüttelte den Kopf und wir gingen erneut in Stellung. » Denk daran, dass du meine Bewegungen vorwegnehmen musst! «
    Ich blockte seinen ersten Tritt und dann seinen Fausthieb ab. Wir umkreisten einander ein paar Runden lang. Währenddessen fragte ich mich, was um alles in der Welt Grandma Piperi gemeint haben mochte– dass ich diejenigen, die ich liebte, töten würde. Das ergab keinen Sinn, denn die einzige Person, die ich je geliebt hatte, war bereits tot und ich hatte sie ganz bestimmt nicht getötet. Man kann niemanden töten, der bereits tot war, und ich hatte sie wirklich…
    Kains Stiefel drang durch meine Abwehr und traf mich in den Magen. Ein rasender Schmerz durchfuhr mich, so stark und überwältigend, dass ich auf die Knie sank. Durch die Stellung, in der ich landete, wurde mein angeschlagener Rücken gezerrt. Ich zuckte zusammen, griff nach hinten und hielt mir mit einer Hand den Rücken und mit der anderen den Bauch.
    Ich war ein totales Wrack.
    Kain ging vor mir in die Hocke. » Verdammt, Alex!