Verbotener Kuss
musste plötzlich aufkommende Tränen wegblinzeln. » Ich will nichts über Liebe wissen. «
» Aber das solltest du, mein Kind. Du musst etwas über Liebe erfahren. Was Menschen alles aus Liebe tun. Alle Wahrheiten laufen auf die Liebe hinaus, nicht wahr? Auf die eine oder andere Weise. Verstehst du? Es gibt einen Unterschied zwischen Liebe und Begehren. Manchmal ist das, was du fühlst, unmittelbar und ohne Sinn und Verstand. « Sie richtete sich ein wenig auf. » Zwei Menschen erblicken einander quer durch einen Raum oder ihre Haut berührt sich flüchtig. Ihre Seele erkennt, dass der andere Mensch zu ihnen gehört. Sie braucht keine Zeit, um zu überlegen. Die Seele weiß immer Bescheid… ob es nun richtig oder falsch ist. «
Caleb packte mich am Arm. » Komm, gehen wir! Sie erzählt dir nichts, was du hören willst. «
» Das erste… das erste Mal ist immer das stärkste. « Seufzend schloss sie die Augen. » Dann sind da noch Begehren und Schicksal. Das ist eine andere Art. Begehren verkleidet sich mit Liebe, aber Begehren… ist niemals Liebe. Hüte dich immer vor dem, der dich begehrt. Hinter dem Begehren steckt immer Bedürftigkeit, verstehst du? «
Caleb ließ meinen Arm los und wies nachdrücklich auf den Weg hinter uns.
» Manchmal wirst du Begehren mit Liebe verwechseln. Sei vorsichtig! Die Straße des Begehrens ist niemals geradlinig, niemals gut. Ganz ähnlich wie die Straße, die du gehen musst. Hüte dich vor dem, der dich braucht. «
Die Frau war verrückt. Aber obwohl ich es wusste, lief es mir bei ihren Worten kalt über den Rücken. » Warum wird diese Straße nicht einfach für mich? « , fragte ich und achtete nicht auf Caleb.
Mühsam erhob sie sich. Da ihr Rücken nach vorn gebeugt war, konnte sie sich nicht vollständig aufrichten. » Straßen sind immer holperig, niemals eben. Dieser hier « – leise kichernd wies sie mit einer Kopfbewegung auf Caleb– » hat eine Straße voller Licht vor sich. «
Caleb hielt inne » Das ist gut zu wissen. «
» Eine kurze Straße voller Licht « , setzte Grandma Piperi hinzu.
Er zog ein langes Gesicht. » Gut… zu wissen. «
» Was ist jetzt mit der Straße? « , fragte ich und hoffte auf eine verständliche Antwort.
» Ach, Straßen sind immer zwielichtig. Deine Straße ist voller Schatten, voller Taten, die vollbracht werden müssen. Es läuft auf die von deiner Art hinaus. «
Caleb warf mir einen vielsagenden Blick zu, doch ich schüttelte den Kopf. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redete, aber ich wollte noch nicht gehen. Sie humpelte an mir vorbei, und ich trat beiseite. Mit dem Rücken streifte ich etwas Weiches, Warmes, das meine Aufmerksamkeit erregte. Ich wandte mich um und entdeckte große violette Blüten mit leuchtend gelber Mitte. Als ich mich näherte, sog ich ihren bittersüßen, beinahe beißenden Duft ein.
» Sei vorsichtig, Kind! Du berührst Nachtschatten. « Sie blieb stehen und wandte sich wieder uns zu. » Sehr gefährlich… ganz ähnlich wie die Küsse jener, die unter den Göttern wandeln. Berauschend, süß und tödlich… Du musst wissen, wie du richtig damit umgehst. Nur ein wenig, und alles ist gut. Zu viel… und es nimmt dir das, was dich zu dem macht, was du bist. « Sie lächelte verhalten, als hänge sie einer Erinnerung nach. » Die Götter bewegen sich um uns herum und sind immer in der Nähe. Sie beobachten uns und warten ab, wer sich als der Stärkste erweist. Auch jetzt sind sie hier. Verstehst du? Ihr Ende ist nahe, unser aller Ende. Selbst die Götter sind kleingläubig geworden. «
Caleb warf mir einen weiteren Blick aus aufgerissenen Augen zu. Ich hob die Schultern und beschloss, es noch ein letztes Mal zu versuchen. » Sie können mir also nichts über meine Mom sagen? «
» Nichts, was man dir nicht bereits gesagt hat. «
» Warten Sie mal… « Meine Haut fühlte sich heiß und kalt zugleich an. » Was… Lea gesagt hat, stimmt also? Dass Mom meinetwegen gestorben ist? «
» Lass es sein, Alex! Du hast recht. « Caleb trat einen Schritt zurück. » Sie ist vollkommen verrückt. «
Piperi seufzte. » Hier sind immer Ohren, aber Ohren hören nicht immer richtig. «
» Gehen wir, Alex! «
Ich blinzelte, und– nicht übertrieben– in der Zeit, die es dauerte, die Augen wieder zu öffnen, stand Grandma Piperi plötzlich vor mir. Die alte Frau hatte sich blitzschnell bewegt. Ihre klauenartige Hand grub sich so hart in meine Schulter, dass ich zusammenzuckte.
Sie sah mit glasklarem,
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