Verbrechen im Rampenlicht
konnte, wechselte das Gesprächsthema.
»Heute war angeblich ein
Casting-Agent an der Schule«, berichtete ein junge aus der Siebten, der
wiederholt in die Keksschüssel griff. Klößchens Blick verfinsterte sich.
»Für die Urzeit-Models?«,
fragte die Zehntklässlerin neugierig. »Suchen die Mädchen für die nächste
Staffel?«
»Nein, es ist wohl irgendeine
andere Show. Jemand hat erzählt, dass sie draußen beim Eiswagen standen und
Schüler angesprochen haben.«
»Das ist bestimmt nur wieder
ein Gerücht.«
»Und wenn sie doch Leute aus
dem Internat gecastet haben?«
»Also, ich würde total gerne
mal bei einer Show mitmachen. Es muss ja nicht unbedingt etwas mit Singen oder
Models sein.« Alle redeten durcheinander.
»Weißt du etwas davon, Celine?
Du warst doch nach der Schule am Eisstand, oder?«
»Ich esse kein Eis«, sagte
Celine nur. Sie lief rot an und starrte auf den Fußboden, als würde dort gerade
eine spannende Show über weltbeherrschende Teppichflusen und fußballspielende
Kekskrümel laufen.
»Seid doch mal leise!«, rief
ein älteres Mädchen genervt aus einem Sessel heraus. »Gleich fliegt die Gloria
raus! Das will ich nicht verpassen.« Alle verstummten schlagartig und Klößchen
beugte sich hastig vor, um die letzten drei Kekse aus der Schale zu fischen.
»Jetzt brich doch mal die
Einzeller-Unterhaltung ab!«, wandte sich Tim erneut an seinen Freund. »Wir
haben heute doch nur eine Stunde Zeit, um das Sommerfest der Schule zu
besprechen. Wenn wir da auch noch zu spät kommen...«
»Ja, ja, du Sklaventreiber.«
Klößchen stand umständlich vom Sofa auf, fegte sich die Krümel von der Hose und
warf noch einen letzten Blick auf die Mattscheibe. »Der TV-Snack ist jetzt eh
alle, wir können also gehen. Aber ich wette, dass heute niemand zur Versammlung
kommt.«
Auf dem fensterlosen Flur vor
dem Versammlungsraum wurden Tim und Klößchen von ihrem Mitschüler Max Moleske
überholt. Der große, dunkelblonde Junge war eine Klassenstufe über ihnen. Tim
kannte ihn vom Judo-Unterricht. Genau wie der TKKG-Häuptling war Max sehr
sportlich, doch dem übertrieben ehrgeizigen Jungen ging es in erster Linie ums
Gewinnen und nicht ums Mitmachen. Dafür schreckte er auch nicht vor unfairen
Methoden zurück. Tim hatte ihn schon öfter darauf angesprochen. Noch dazu hatte
er ihn beim letzten Turnier ganz knapp besiegt. Kein Wunder, dass Max Tim nicht
besonders mochte. Auch jetzt stieß er ihn unsanft aus dem Weg, obwohl der Flur
breit genug war.
»He, pass doch auf!«, rief ihm
Tim verärgert hinterher.
Max drehte sich um und blieb
stehen. »Hast du etwas gesagt?« Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er Streit
suchte.
Tim ließ sich jedoch nicht so
einfach provozieren. »Pass nächstes Mal besser auf, wenn du deine Mitschüler
hart am Tempolimit überholst. Sonst gibt es irgendwann noch einen Crash.«
»Den kannst du auch jetzt schon
haben!« Max kam bedrohlich näher.
Tim hob beschwichtigend die
Hände. »Schon gut, lass uns einfach zur Versammlung gehen. Das hier ist kein
Grund, sich gegenseitig mit blauen Flecken zu dekorieren.«
»Hast du etwa Angst?« Max’
Mundwinkel zuckten.
»Vor dir?« Tim lachte leise.
»Nein. Aber ich ziehe es vor, Judo nur in Sporthallen und Notsituationen
anzuwenden.«
»Ich wette zwei Tafeln
Schokolade darauf, dass Tim dich jederzeit erledigen könnte!«, sagte Klößchen
im Brustton der Überzeugung. Tim warf ihm einen warnenden Blick zu. Er wollte
das Gespräch nicht unnötig anheizen.
Max wollte gerade etwas
erwidern, als Gaby und Karl um die Ecke kamen. Er winkte ärgerlich ab. Leise,
und an Tim gewandt, sagte er: »Eines Tages stehen wir uns wieder gegenüber! Und
dann hast du allen Grund zur Angst!« Energisch drehte er sich um und stapfte
mit großen Schritten davon.
»Was wollte der Moleske denn
von dir?«, fragte Gaby.
»Er hat es noch immer nicht
verwunden, dass ich ihn besiegt habe«, antwortete Tim. »Dabei kapiert er es
einfach nicht: Judo ist eine Lebenseinstellung, kein Freiticket dafür, grundlos
Leute zu verprügeln.«
»Ganz recht Häuptling!«,
stimmte Karl zu. »Nicht umsonst lautet das Judo-Prinzip: Siegen durch
nachgeben .«
»Das mag alles sein«, sagte
Gaby. »Aber wir sollten jetzt zusehen, dass wir zur Versammlung gehen. Sonst
fangen die noch ohne uns an.«
Aus der Ferne hörte man die
schnarrende Stimme des TV-Jurors aus dem Fernsehzimmer über den Gang schallen.
Wortfetzen wie »Versagerin« und »Grottenolm« drangen an
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