Verbrechen ist Vertrauenssache
Polizei ihn lediglich als Zeugen vernehmen. Je länger er untergetaucht bleibt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich wegen Behinderung der Justiz wird verantworten müssen.‹ Für sachdienliche Hinweise hat die Polizei eine Telefonnummer eingerichtet.« Parker sah zu Quindero. »Willst du die Nummer haben?«
Quindero blinzelte und sah zwischen Parker und Liss hin und her. »Was heißt … Was meinen die damit?«
»Du bist frei«, sagte Parker.
Liss lachte, sah Quindero an und sagte: »Wie gut, dass wir den Scheiß, der in den Zeitungen steht, nicht glauben, was, Ralph?«
Quindero starrte ihn nur an.
»Denn wenn du das wirklich glauben würdest«, fuhr Liss fort, »müsste ich dich jetzt erschießen. Ich kann dich nicht nach Hause gehen und Geschichten über mich erzählen lassen. Aber wir glauben’s ja nicht, darum ist es egal.«
»Wir glauben es nicht?« sagte Quindero.
»Ach komm schon, Ralph«, sagte Liss. »Das sagen die doch jedesmal. Sie würden es zu mir sagen, wenn sie könnten: Komm nur her, kein Problem, keiner hat irgendwas gegen dich. Na schön, denkst du, dann ist ja alles gut. Und du gehst hin, und das erste, was sie machen, ist, dass sie dir Handschellen anlegen. Du hattest schon mal welche an, weißt du noch, Ralph?«
»Ja«, sagte Quindero.
»Und das war vor all dem anderen Kram. Alles ist gut? Du gehst hin und stellst dich? Jetzt? Wo sie dir doch schon vorher Handschellen angelegt haben, bevor Tom sein Fett gekriegt hat und du und ich uns abgeseilt haben.«
»Stimmt«, sagte Quindero.
Liss sah zu Parker und schüttelte den Kopf. »Warum willst du meinem Partner was einreden? Das ist nicht gut.«
Parkers Blick fiel auf den Wetterbericht. »Hier steht, es könnte morgen regnen.«
»Das ist uns egal«, sagte Liss. »Bis dahin sind wir längst weg. So oder so.«
SIEBEN
»Hier drinnen wird es zu dunkel«, sagte Liss.
Sie hatten lange geschwiegen – Quindero brütete vor sich hin, Liss und Parker warteten. Aber es stimmte: In dem nach Osten gelegenen Raum breitete sich die Dunkelheit schneller aus als draußen, wo die Schatten die obere Kante der gegenüberliegenden Steilwand noch nicht ganz erreicht hatten. Das klare, mit Rot durchmischte Licht der untergehenden Sonne ließ den Rand der Schlucht in einer Linie konzentrierter Helligkeit erglühen, während der Himmel dahinter von einem ins Grau spielenden Dunkelblau war. Drinnen konnten sie einander noch sehen, doch eine Zeitung hätte man jetzt nicht mehr lesen können. Thorsens Pistole auf dem Boden schimmerte nicht mehr. Und Liss gefiel das alles nicht.
Parker spürte, dass Liss ihn ansah, ignorierte es aber. Er hielt den Blick auf den Rand der Schlucht gerichtet. Wenn das letzte Sonnenlicht verschwunden war, würde es hier schlagartig dunkler werden – keine große Veränderung, vielleicht nicht einmal besonders auffällig. Aber genug, um alles etwas verschwimmen zu lassen, bis die Augen sich daran gewöhnt hatten. In diesem Moment würde Parker sich auf Thorsens Pistole stürzen.
Aber Liss gefiel das alles nicht. »Ich weiß nicht, Parker«, sagte er.
»Was ist das Problem?«
»Dasselbe wie immer: du.«
Parker betrachtete den Rand der Schlucht. Die Sonne ging ganz langsam unter. »Alles ist wie immer«, sagte er. »Wir alle sind das, was wir immer waren.«
»Ich will dich nicht herumlaufen haben, wenn es hier drinnen dunkel ist«, sagte Liss.
»Bis Mitternacht ist es noch eine Weile hin, George.«
»Selbst wenn ich eine Taschenlampe hätte, könnte ich sie nicht benutzen«, sagte Liss. »Zu viele Fenster. Und es gibt immer irgendeinen neugierigen Blödmann, der zuviel Zeit hat und die Bullen ruft.«
»Bis jetzt sind wir doch ganz gut zurechtgekommen, George.« Der Rand leuchtete rotgolden. Die Luft war so klar, dass man einzelne Zweige erkennen konnte, die herbstlichen Gelbtöne, das Braun der verdorrten Gräser, alles von der versinkenden Sonne in Technicolor getaucht.
Liss stand abrupt auf. »Ralph«, sagte er, »stell den Fuß auf die Kanone.«
Parker wandte nicht den Kopf, um zu sehen, ob Quindero gehorchte. Er erhob sich ebenfalls, behielt Liss’ Hände im Auge und wartete darauf, dass eine davon in die Tasche oder zum Hosenbund auf dem Rücken griff. »Komm schon, George«, sagte er, »mach keinen Blödsinn.«
»Es gibt einen Schrank«, sagte Liss. »Ralph und ich haben das Haus durchsucht, als wir hergekommen sind. Im Stockwerk unter uns ist ein Schrank mit einer Tür und einem
Weitere Kostenlose Bücher