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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Gespräch auf dieses Thema brachte, verfolgte er offenbar ein bestimmtes Ziel. »Was? Sie sagen, daß sie auch mich eingeladen hat?« fügte er plötzlich hinzu und hob den Kopf. »Wann war das? Ich erinnere mich gar nicht. Ich werde übrigens nicht hingehen. Was habe ich dort zu suchen? Ich habe ihr erst gestern im Vorbeigehen gesagt, daß sie, als arme Beamtenwitwe, die Möglichkeit hat, das Jahresgehalt als einmalige Unterstützung zu bekommen. Hat sie mich vielleicht deswegen eingeladen? He-he-he!«
    »Auch ich habe nicht die Absicht, hinzugehen«, sagte Lebesjatnikow.
    »Das will ich meinen! Nachdem Sie sie eigenhändig verprügelt haben. Sie müssen sich selbstverständlich genieren, he-he!«
    »Wer hat verprügelt? Wen?« Lebesjatnikow fuhr auf und errötete sogar.
    »Sie haben doch, ich glaube vor einem Monat, Katerina Iwanowna verprügelt! Ich habe es gestern gehört ... ... So sehen also die Überzeugungen aus! Mit der Frauenfrage hapert es. He-he-he!«
    Und Pjotr Petrowitsch fing an, wie getröstet, mit dem Rechenbrett zu klappern.
    »Das ist alles Unsinn und Verleumdung!« fuhr Lebesjatnikow auf, der immer fürchtete, an diese Geschichte erinnert zu werden. »Und es war gar nicht so! Es war anders! Sie haben es falsch gehört; es ist Klatsch! Ich habe mich einfach gewehrt. Sie stürzte sich zuerst auf mich mit ihren Krallen ... Den ganzen Backenbart hat sie mir ausgerauft ... Es ist doch hoffentlich einem jeden Menschen erlaubt, seine Persönlichkeit zu verteidigen. Außerdem werde ich es niemand erlauben, mir Gewalt anzutun ... Aus Prinzip. Denn das ist schon fast Despotismus. Was hätte ich denn tun sollen: ruhig vor ihr stehen? Ich stieß sie nur zurück.«
    »He-he-he!« höhnte Luschin boshaft weiter.
    »Sie sind heute so streitsüchtig, weil Sie selbst erbost sind und sich ärgern ... Das alles ist aber Unsinn und hat mit der Frauenfrage gar nichts zu tun! Sie haben es nicht richtig verstanden; auch ich hatte geglaubt, daß, wenn man annimmt, die Frau sei dem Manne in allen Dingen, selbst in der Körperkraft (was bereits behauptet wird) gleich, auch darin Gleichheit herrschen müsse. Natürlich sagte ich mir nachher, daß es eine solche Frage eigentlich gar nicht geben darf, weil es auch keine Prügeleien geben darf, weil in der zukünftigen Gesellschaft Prügeleien undenkbar sind ... und weil es natürlich sonderbar wäre, die Gleichheit in der Prügelei zu suchen. Ich bin nicht so dumm ... obwohl das Prügeln vorläufig besteht ... das heißt, in Zukunft nicht mehr existieren wird ... aber jetzt noch vorkommt ... pfui Teufel! Wenn man mit Ihnen spricht, wird man ganz konfus! Ich gehe nicht zum Totenmahl, nicht weil es diese Unannehmlichkeit gegeben hat. Ich gehe einfach aus Prinzip nicht hin, um mich nicht an einem so gemeinen, abergläubischen Brauch wie ein Totenmahl zu beteiligen, das ist der Grund! Übrigens hätte ich auch hingehen können, um darüber zu lachen ... Leider werden aber keine Popen dabei sein. Sonst würde ich unbedingt hingehen.«
    »Mit anderen Worten, Sie wollen fremdes Brot und Salz essen und gleich darauf spucken, ebenso auf die, die Sie eingeladen haben. Das wollten Sie doch sagen?«
    »Durchaus nicht spucken, sondern protestieren. Ich verfolge einen guten Zweck. Ich kann dabei indirekt der Aufklärung und der Propaganda dienen. Jeder Mensch ist verpflichtet, der Aufklärung der anderen durch Propaganda zu dienen, und je schroffer er es tut, um so besser ist es vielleicht. Ich kann den Samen einer Idee in sie ausstreuen ... Aus diesem Samen kann eine Tatsache entstehen. Worin sollte da eine Beleidigung liegen? Zuerst werden sie sich beleidigt fühlen, später aber einsehen, daß ich ihnen nur Nutzen gebracht habe. Da hat man bei uns die Terebjewa beschuldigt (die jetzt in der Kommune ist), daß sie, als sie ihre Familie verließ und ... sich einem Mann hingab, ihren Eltern schrieb, daß sie nicht mehr unter Vorurteilen leben wolle und eine ›bürgerliche‹ Ehe eingehe; man sagte, es sei viel zu grob, seine Eltern so zu behandeln, sie hätte sie schonen und den Brief etwas milder abfassen können. Meiner Ansicht nach ist das alles Unsinn, und man soll gar nicht mild sein, im Gegenteil, gerade hier muß man protestieren. Die Warenz hat zum Beispiel sieben Jahre mit ihrem Manne gelebt, hat dann ihre zwei Kinder verlassen und ihrem Manne in einem Briefe ganz unzweideutig gesagt: ›Ich habe eingesehen, daß ich mit Ihnen nicht glücklich sein kann. Ich werde Ihnen nie

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