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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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abzulenken und zugleich auch ihr eigenes Ansehen zu heben, zu erzählen, wie ein Bekannter von ihr, ein »Karl aus der Apotheke« nachts in einer Droschke nach Hause fuhr: »der Kutscher wollte ihn töten, aber Karl tat ihn sehr, sehr bitten, daß er ihn nicht töte, und er weinte, und faltete die Hände, und erschrak, und die Angst durchbohrte ihm sein Herz«. Katerina Iwanowna lächelte zwar, bemerkte aber, daß Amalia Iwanowna keine russischen Anekdoten erzählen sollte. Jene fühlte sich dadurch noch mehr beleidigt und entgegnete, daß »ihr Vater aus Berlin ein sehr, sehr vornehmer Mann gewesen sei und die Hände immer in die Taschen steckte«. Die lachlustige Katerina Iwanowna hielt es nicht aus und fing laut zu lachen an, so daß Amalia Iwanowna ihre letzte Geduld verlor und sich nur mit äußerster Mühe beherrschte.
    »Ist das eine Eule!« flüsterte Katerina Iwanowna fast heiter wieder Raskolnikow zu. »Sie wollte sagen, daß er die Hände in seinen eigenen Taschen hatte, aber es klingt, als ob er ein Taschendieb gewesen wäre, kchi-kchi-kchi! Haben Sie bemerkt, Rodion Romanowitsch, daß alle diese Petersburger Ausländer, das heißt hauptsächlich die Deutschen, die irgendwoher zu uns kommen, sämtlich dümmer sind als wir?! Sie werden doch zugeben, daß man nicht erzählen darf, daß ›die Angst Karls Herz durchbohrt‹ hat und daß er (dieser Waschlappen!), statt den Kutscher zu knebeln, ›die Hände gefaltet, und geweint und sehr, sehr gebeten hat‹. Ach, die dumme Gans! Sie glaubt dabei, daß alles sehr rührend sei, und ahnt gar nicht, wie dumm sie ist! Meiner Ansicht nach ist dieser betrunkene Proviantbeamte viel klüger als sie; dem sieht man wenigstens an, daß er ein Säufer ist und das letzte bißchen Verstand vertrunken hat; diese aber sitzen so aufgeblasen und ernst da ... Wie sie dasitzt und glotzt. Sie zürnt! Sie zürnt! Ha-ha-ha! Kchi-kchi-kchi!«
    Katerina Iwanowna war lustig geworden und begann plötzlich mit allen Einzelheiten zu erzählen, wie sie mit der Pension, die man für sie erwirken würde, in ihrer Heimatstadt T. ein Pensionat für junge Mädchen aus vornehmen Familien gründen werde. Katerina Iwanowna hatte dies Raskolnikow noch nicht mitgeteilt, und sie ließ sich von verlockenden Einzelheiten hinreißen. Plötzlich erschien in ihren Händen, kein Mensch wußte auf welche Weise, jenes »lobende Attest«, von dem der verstorbene Marmeladow Raskolnikow damals in der Schenke erzählt hatte, als er ihm mitteilte, daß seine Gattin Katerina Iwanowna bei der Abschiedsfeier im Institut mit einem Schal »vor dem Gouverneur und den anderen Persönlichkeiten« getanzt habe. Dieses Attest sollte jetzt wohl Katerina Iwanowna als Zeugnis dienen, daß sie ein Recht habe, ein Pensionat zu gründen; vor allen Dingen hatte sie es aber bereitgelegt, um die beiden »aufgedonnerten langschleppigen Weiber«, wenn sie zum Totenmahl gekommen wären, zu vernichten und ihnen klar zu beweisen, daß Katerina Iwanowna aus einem vornehmen, »man darf wohl sagen, aristokratischen Hause sei, eine Oberstentochter und sicher tausendmal besser als manche Abenteurerinnen, die sich in der letzten Zeit so breitmachen«. Das Attest ging sofort unter den betrunkenen Gästen von Hand zu Hand, was Katerina Iwanowna gar nicht hinderte, da darin tatsächlich en toutes lettres geschrieben stand, daß sie die Tochter eines Hofrats und Ritters, also in der Tat beinahe eine Oberstentochter sei. Katerina Iwanowna hatte Feuer gefangen und verbreitete sich sofort über alle Einzelheiten des ihr bevorstehenden schönen und ruhigen Lebens in T.: über die Gymnasiallehrer, die sie an ihrem Pensionat anstellen würde, über einen ehrwürdigen alten Mann, den Franzosen Mangot, der ihr selbst am Institut französischen Unterricht erteilt hatte und der noch immer in T. lebte und sicher unter sehr günstigen Bedingungen bei ihr eintreten würde. Die Rede kam schließlich auch auf Ssonja, »die nach T. mitkommen und Katerina Iwanowna helfen werde«. Plötzlich lachte jemand am anderen Ende des Tisches laut auf. Katerina Iwanowna bemühte sich zwar, sich den Anschein zu geben, als hätte sie das Lachen am anderen Ende des Tisches nicht bemerkt, erhob aber absichtlich die Stimme und begann mit Begeisterung über die unzweifelhaften Talente Ssofja Ssemjonownas zu sprechen, die sie befähigten, sie in diesem Werke zu unterstützen, über ihre »Milde, Geduld, Selbstaufopferung, Großmütigkeit und Bildung«, wobei sie Ssonjas Wange

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