Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)
Gelde ist das alles gekauft?« fragte er endlich, auf die Wand blickend.
»Von welchem Geld? Hat man so was gehört! Doch von deinem eigenen. Vorhin war der Kontordiener hier, von Wachruschin, deine Mama hat es dir geschickt, oder hast du auch das vergessen?«
»Jetzt erinnere ich mich ...«, sagte Raskolnikow nach langem, mürrischem Schweigen. Rasumichin sah ihn besorgt mit gerunzelter Stirn an.
Die Tür ging auf, und herein trat ein großer, kräftiger Mann, der Raskolnikow schon irgendwie bekannt vorkam.
»Sossinow! Endlich!« rief Rasumichin erfreut.
Fußnoten
1 Koseform von Praskowja (so heißt die Wirtin).
D. Übers.
IV
Sossimow war ein großer, dicker Mann mit einem gedunsenen, farblos-blassen, glattrasierten Gesicht und hellblonden schlichten Haaren, mit einer Brille auf der Nase und einem großen goldenen Ring an einem vom Fett geschwollenen Finger. Er war an die siebenundzwanzig. Er trug einen weiten, eleganten, leichten Mantel und eine helle Sommerhose, und alles an ihm war weit, elegant und nagelneu; die Wäsche war tadellos und die Uhrkette massiv. Seine Gebärden waren langsam, beinahe träge, zugleich aber von einer genau berechneten Ungezwungenheit; Prätensionen, die er übrigens mit Mühe zu verbergen suchte, kamen jeden Augenblick zum Vorschein. Alle, die ihn kannten, hielten ihn für einen schwer zu behandelnden Menschen, sagten aber, daß er seine Sache verstehe.
»Ich bin zweimal bei dir gewesen, Bruder ... Siehst du, er ist zu sich gekommen!« rief Rasumichin.
»Ich sehe es, ich sehe es, nun, wie fühlen wir uns jetzt, he?« wandte sich Sossimow an Raskolnikow, indem er ihn aufmerksam betrachtete und sich zu ihm ans Fußende des Sofas setzte, wo er es sich sofort nach Möglichkeit bequem machte.
»Er fängt immer Grillen«, fuhr Rasumichin fort. »Als wir ihm eben die Wäsche wechselten, weinte er beinahe.«
»Es ist begreiflich; die Wäsche hätte man ihm auch später wechseln können, wenn er es verlangte. Der Puls ist ausgezeichnet. Der Kopf tut wohl immer noch etwas weh, wie?«
»Ich bin gesund, ich bin vollkommen gesund!« sagte Raskolnikow hartnäckig und gereizt, indem er sich plötzlich vom Sofa erhob und mit den Augen blitzte; gleich darauf fiel er wieder auf das Kissen zurück und wandte sich zur Wand. Sossimow beobachtete ihn aufmerksam.
»Sehr gut ... alles in Ordnung«, versetzte er träge. »Hat er was gegessen?«
Man berichtete es ihm und fragte, was man ihm geben dürfe.
»Alles kann man ihm geben ... Suppe, Tee ... Pilze und Gurken natürlich nicht; auch kein Fleisch und ... was ist da noch viel zu reden! ...« Er wechselte mit Rasumichin einen Blick. »Die Arznei fällt weg, und alles fällt weg; morgen schau ich nach ... Eigentlich hätte ich auch heute ... na, ja ...«
»Morgen abend führe ich ihn spazieren!« beschloß Rasumichin, »In den Jussupow-Garten, und dann gehen wir ins ›Palais de Cristal‹.«
»Morgen würde ich ihn noch in Ruhe lassen, doch übrigens ein wenig ... na, wir werden schon sehen.«
»So ärgerlich: gerade heute feiere ich meine Übersiedlung, es sind nur zwei Schritte von hier; wenn er doch auch zu mir kommen könnte! Er könnte wenigstens auf dem Sofa zwischen uns liegen! Und du, wirst du kommen?« wandte sich Rasumichin plötzlich an Sossimow. »Vergiß es nicht, du hast versprochen.«
»Vielleicht, aber wahrscheinlich später. Was hast du hergerichtet?«
»Nichts besonderes: Tee, Schnaps, Hering. Eine Pastete wird es auch geben; es werden nur meine Freunde dabei sein.«
»Wer denn?«
»Lauter Hiesige und lauter Neue, – ausgenommen den alten Onkel, aber auch der ist neu: ist erst gestern nach Petersburg in irgendwelchen Angelegenheiten gekommen; wir sehen uns einmal in fünf Jahren.«
»Was ist er?«
»Er hat sein ganzes Leben als Postmeister in einer Kreisstadt vegetiert ... bekommt eine kleine Pension, ist fünfundsechzig Jahre alt, was soll ich noch viel erzählen ... Übrigens habe ich ihn gern. Auch Porfirij Ssemjonowitsch wird kommen, der Untersuchungsrichter dieses Bezirks ... hat die Hochschule für Rechtswissenschaft absolviert. Du kennst ihn ja ...«
»Ist er auch ein Verwandter von dir?«
»Ein ganz entfernter; warum rümpfst du die Nase? Weil ihr euch einmal gezankt habt, so wirst du vielleicht nicht kommen?«
»Ich pfeife auf ihn ...«
»Das ist auch das beste. Außerdem kommen Studenten, ein Lehrer, ein Beamter, ein Musiker, ein Offizier, Samjotow ...«
»Sag mir bitte, was kann
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