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Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Titel: Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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Luft!«
    Er trat plötzlich zur Seite, um den Geistlichen, der mit dem Küster die Treppe heraufkam, vorbeizulassen. Sie kamen, um die Totenmesse zu lesen. Auf Anordnung Swidrigailows wurden die Messen zweimal am Tage mit großer Pünktlichkeit abgehalten. Swidrigailow ging seiner Wege. Raskolnikow stand eine Weile da und folgte dann dem Geistlichen in Ssonjas Wohnung.
    Er blieb in der Tür stehen. Der Gottesdienst begann leise, andächtig, traurig. Im Gedanken an den Tod und im Gefühl der Gegenwart des Todes lag für ihn stets, von früher Kindheit an, etwas Schweres und Mystisch-Schreckliches; auch hatte er schon lange keine Totenmesse mehr gehört. Es war auch etwas anderes, allzu Schreckliches und Unruhiges dabei. Er sah die Kinder an: sie lagen alle vor dem Sarg auf den Knien; Poljetschka weinte. Hinter ihnen betete Ssonja leise weinend. – In diesen Tagen hat sie mich aber kein einziges Mal angeschaut und kein Wort zu mir gesagt! – fiel es Raskolnikow plötzlich ein. Die Sonne erleuchtete hell das Zimmer; der Weihrauch stieg in leichten Wolken empor; der Geistliche las: »Schenke, Herr, die ewige Ruhe.« Raskolnikow blieb während der ganzen Messe da. Als der Geistliche den Segen erteilte und sich verabschiedete, sah er sich etwas eigentümlich um. Nach dem Gottesdienste ging Raskolnikow auf Ssonja zu. Sie ergriff plötzlich seine beiden Hände und schmiegte ihren Kopf an seine Schulter. Diese kurze freundschaftliche Regung überraschte ihn; es kam ihm sogar seltsam vor: Wie? Nicht der geringste Widerwille, nicht der geringste Ekel vor ihm, nicht das leiseste Zucken ihrer Hand! Es war die tiefste Stufe der Selbsterniedrigung. So faßte er es wenigstens auf. Ssonja sagte nichts. Raskolnikow drückte ihr die Hand und ging hinaus. Es wurde ihm so furchtbar schwer zumute. Wäre es ihm in diesem Augenblick möglich gewesen, fortzugehen und ganz allein zu bleiben, und wenn auch fürs ganze Leben, so würde er sich glücklich gefühlt haben. Die Sache war aber die, daß er in der letzten Zeit zwar fast immer allein war, aber sein Alleinsein unmöglich empfinden konnte. Oft ging er vor die Stadt, kam auf eine Landstraße und verirrte sich einmal sogar in ein Gehölz; doch je einsamer die Gegend war, um so stärker empfand er die nahe und beunruhigende Gegenwart von etwas, das wohl nicht grauenhaft war, aber ihn schon gar zu sehr belästigte, so daß er schleunigst in die Stadt zurückkehrte, sich unter die Menge mischte, in Wirtshäuser und Schenken einkehrte und auf den Trödelmarkt und Heumarkt ging. Hier war es ihm sogar leichter ums Herz, und erfühlte sich viel einsamer. In einem Wirtshause wurde den ganzen Spätnachmittag gesungen; hier blieb er eine ganze Stunde sitzen, hörte zu und erinnerte sich später, daß es ihm sehr angenehm gewesen war. Schließlich wurde er aber wieder unruhig, als ob ihn Gewissensbisse plagten. – Hier sitze ich höre dem Gesang zu, habe aber was ganz anderes zu tun! – ging es ihm durch den Sinn. Übrigens wurde es ihm sofort klar, daß dies nicht das einzige war, was ihn beunruhigte, daß noch etwas anderes da war, das eine unverzügliche Lösung erheischte, das er aber weder völlig erfassen noch in Worte kleiden konnte. Alles verwickelte sich zu einem Knäuel. – Nein, dann schon lieber den Kampf! Dann ziehe ich schon den Porfirij oder Swidrigailow vor ... Wenn doch schneller eine Herausforderung oder ein Überfall käme ... – Ja! Ja! – dachte er. Er verließ das Wirtshaus und lieffast fort. Der Gedanke an Dunja und an die Mutter machte ihm plötzlich panische Angst. In der folgenden Nacht erwachte er vor Tagesanbruch im Gebüsch auf der Krestowskij-Insel, ganz durchfroren und im Fieber; er ging nach Hause, wo er erst am Morgen anlangte. Nach einigen Stunden Schlaf war das Fieber vergangen, er erwachte aber sehr spät, um zwei Uhr nachmittags.
    Er erinnerte sich, daß für diesen Tag die Beerdigung Katerina Iwanownas angesetzt war, und freute sich, daß er ihr nicht beigewohnt hatte. Nastasja brachte ihm sein Essen; er aß und trank mit großem Appetit, fast mit Gier. Sein Kopf war frischer und er selbst ruhiger als in den letzten drei Tagen. Er wunderte sich sogar flüchtig über die früheren Anfälle der panischen Angst. Die Tür ging auf, und herein trat Rasumichin.
    »Aha! Er ißt, also ist er nicht krank!« sagte Rasumichin, nahm einen Stuhl und setzte sich an den Tisch, Raskolnikow gegenüber.
    Er war aufgeregt und bemühte sich nicht, es zu verbergen. Er sprach

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