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Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Titel: Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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Tür zu dieser Wohnung stand weit offen, es waren Menschen darin, man hörte Stimmen; das hatte er keineswegs erwartet. Nach kurzem Schwanken ging er die letzten Stufen hinauf und trat in die Wohnung ein.
    Auch diese Wohnung wurde neu hergerichtet, und es waren Arbeiter da; dies versetzte ihn wohl in Erstaunen. Aus irgendeinem Grunde hatte er geglaubt, daß er hier alles genau in dem gleichen Zustande antreffen würde, wie er es damals zurückgelassen hatte; vielleicht sogar die Leichen auf denselben Stellen auf dem Boden. Jetzt aber: kahle Wände, keine Möbel; es war so seltsam! Er ging zum Fenster und setzte sich aufs Fensterbrett.
    Es waren in dem Raume zwei Arbeiter, beide junge Burschen: der eine älter, der andere viel jünger. Sie beklebten die Wände mit neuen Tapeten, weiß mit lila Blümchen, an Stelle der früheren gelben, zerrissenen und abgewetzten. Auf Raskolnikow machte das, er wußte selbst nicht warum, einen unangenehmen Eindruck; er blickte diese neuen Tapeten feindselig an, als täte es ihm leid, daß man alles verändert hatte.
    Die Arbeiter hatten sich anscheinend verspätet. Jetzt rollten sie das Papier schnell zusammen und wollten wohl aufbrechen. Das Erscheinen Raskolnikows erregte ihre Aufmerksamkeit fast gar nicht. Sie unterhielten sich über etwas. Raskolnikow kreuzte die Arme und begann zuzuhören.
    »Kommt also jene des Morgens zu mir«, erzählte der Altere dem Jüngeren, »in aller Frühe, schön ausgeputzt. ›Was scharwenzelst du so vor mir‹, sage ich ihr, ›was tust du so schön?‹ – ›Ich will‹, sagte sie, ›Tit Wassiljitsch, Ihnen ganz angehören!‹ Ja, siehst du, so ist es! Und ausgeputzt war sie – das reinste Journal!«
    »Was ist das: ›Journal‹, Onkelchen?« fragte der Jüngere.
    Offenbar ließ er sich vom »Onkelchen« belehren.
    »Ein Journal, Bruder, das sind solche bemalte Bildchen, und die kommen an die hiesigen Schneider jeden Sonnabend mit der Post aus dem Auslande, um zu zeigen, wie sich jedermann, das männliche Geschlecht und das weibliche, zu kleiden hat. So eine Zeichnung also. Das männliche Geschlecht wird meistens in Pekeschen dargestellt, und was das weibliche Geschlecht betrifft, so sind da solche Souffleurs, daß einem das Wasser im Munde zusammenläuft.«
    »Was es in diesem Petersburg nicht alles gibt!« rief der Jüngere begeistert. »Außer Vater und Mutter gibt es hier alles!«
    »Ja, außer ihnen findest du hier alles«, bestätigte der Ältere belehrend.
    Raskolnikow stand auf und ging ins andere Zimmer, wo die Truhe, die Betten und die Kommode gestanden hatten; das Zimmer erschien ihm jetzt ohne die Möbel furchtbar klein. Die Tapeten waren noch dieselben; in der Ecke war auf der Tapete deutlich die Stelle zu sehen, wo der Schrein mit dem Heiligenbilde gestanden hatte. Er sah sich alles an und kehrte zu seinem Fenster zurück. Der ältere Arbeiter schielte nach ihm.
    »Was wünschen Sie?« fragte er plötzlich, sich an ihn wendend.
    Statt eine Antwort zu geben, stand Raskolnikow auf, ging auf die Treppe hinaus, ergriff den Glockenzug und zog daran. Die gleiche Klingel, der gleiche blecherne Ton! Er zog noch einmal und ein drittes Mal. Er lauschte und besann sich. Die frühere quälende, furchtbare, häßliche Empfindung kam ihm immer greller und lebhafter in Erinnerung, er zuckte bei jedem Tone zusammen, und es wurde ihm immer wohler und wohler ums Herz.
    »Was willst du denn? Wer bist du?« rief der Arbeiter, zu ihm hinausgehend.
    Raskolnikow trat wieder in die Tür.
    »Ich will die Wohnung mieten«, sagte er. »Ich sehe sie mir an.«
    »Nachts mietet man keine Wohnungen; außerdem müßten Sie mit dem Hausknecht kommen.«
    »Der Fußboden ist gewaschen. Wird man ihn neu streichen?« fuhr Raskolnikow fort. »Ist kein Blut da?«
    »Was für ein Blut?«
    »Hier hat man doch die Alte und ihre Schwester ermordet. Hier war eine ganze Pfütze.«
    »Was bist du denn für ein Mensch?« rief der Arbeiter unruhig.
    »Ich?«
    »Ja.«
    »Du willst es wohl wissen? ... Komm mit aufs Polizeibureau, dort werde ich es sagen.«
    Die Arbeiter sahen ihn erstaunt an.
    »Wir müssen gehen, wir haben uns verspätet. Komm, Aljoschka. Wir müssen schließen«, sagte der ältere Arbeiter.
    »Gut, wollen wir gehen!« erwiderte Raskolnikow gleichgültig und ging voraus, langsam die Treppe hinabsteigend. »He, Hausknecht!« rief er, als er in den Torweg trat.
    Vor dem Hauseingange auf der Straße standen einige Menschen, die sich die Vorübergehenden ansahen, es

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