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Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Titel: Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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waren die beiden Hausknechte, ein Weib, ein Kleinbürger in einem Hausrock und noch jemand. Raskolnikow ging gerade auf sie zu.
    »Was wollen Sie?« fragte einer der Hausknechte.
    »Bist da im Polizeibureau gewesen?«
    »Ja, soeben. Was wünschen Sie?«
    »Sitzen die Beamten noch dort?«
    »Ja, sie sitzen noch.«
    »Ist auch der Gehilfe da?«
    »Ja, er war eine Zeitlang da. Was wollen Sie?«
    Raskolnikow gab keine Antwort und blieb neben ihnen nachdenklich stehen.
    »Er wollte sich die Wohnung ansehen«, sagte der ältere Arbeiter herantretend.
    »Was für eine Wohnung?«
    »Wo wir arbeiten. ›Warum hat man das Blut abgewaschen?‹ hat er gesagt. ›Hier ist ein Mord geschehen, und ich will mir die Wohnung mieten.‹ Und er begann an der Klingel zu ziehen, hätte sie beinahe abgerissen, ›Gehen wir‹, sagte er, ›aufs Polizeibureau, dort werde ich alles sagen.‹ Er gab uns keine Ruhe!«
    Der Hausknecht musterte Raskolnikow verständnislos und finster.
    »Wer bist du denn!?« fragte er etwas strenger.
    »Ich bin Rodion Romanowitsch Raskolnikow, ehemaliger Student und wohne im Hause Schiel, hier in der Seitengasse, es ist nicht weit von hier, Wohnung Nr. 14. Kannst beim Hausknecht nachfragen ... der kennt mich.«
    Raskolnikow sagte das alles träge und nachdenklich, ohne sich umzuwenden, aufmerksam auf die dunkel gewordene Straße blickend.
    »Wozu sind Sie in die Wohnung gekommen?«
    »Um sie mir anzusehen.«
    »Was gibt's da zu sehen?«
    »Man sollte ihn festnehmen und aufs Polizeibureau bringen!« mischte sich plötzlich der Kleinbürger ein und verstummte gleich wieder.
    Raskolnikow sah ihn über die Schulter hinweg an und sagte ebenso leise und träge:
    »Gehen wir!«
    »Man sollte ihn wirklich hinführen!« sagte der Kleinbürger, neuen Mut fassend. »Warum hat er sich bloß danach erkundigt? Hat er nicht was im Sinn?«
    »Betrunken ist er wohl nicht, aber Gott allein weiß, was er für ein Mensch ist«, murmelte der Arbeiter.
    »Ja, was wollen Sie denn?« schrie ihn wieder der Hausknecht an, der ernstlich böse wurde. »Was klebst du hier?«
    »Vor dem Polizeibureau hast du wohl Angst?« sagte ihm Raskolnikow mit einem Lächeln.
    »Wer hat Angst? Was willst du von mir?«
    »Ein Gauner!« rief das Weib.
    »Was soll man mit ihm viel reden«, rief der andere Hausknecht, ein riesengroßer Kerl, in offenem Bauernrock und mit Schlüsseln im Gürtel. »Scher dich! ... Ist wohl wirklich ein Gauner ... Scher dich!«
    Und er packte Raskolnikow an der Schulter und warf ihn auf die Straße hinaus. Raskolnikow stolperte, fiel aber nicht hin. Er richtete sich auf, blickte alle die Zuschauer schweigend an und ging weiter.
    »Ein merkwürdiger Mensch«, sagte der Arbeiter.
    »So merkwürdig sind jetzt die Leute«, sagte das Weib.
    »Man hätte ihn doch aufs Polizeibureau bringen sollen«, fügte der Kleinbürger hinzu.
    »Es lohnte sich nicht, sich mit ihm einzulassen«, sagte der große Hausknecht sehr entschieden. »Ist gewiß ein Gauner! Er will es ja selbst, und wenn man sich mit ihm einläßt, so wird man ihn nicht wieder los ... Wir kennen das!«
    »Soll ich also hingehen oder nicht?« dachte sich Raskolnikow, indem er mitten auf dem Straßenpflaster an einer Kreuzung stehenblieb und um sich blickte, als erwartete er von jemand das entscheidende Wort. Aber von nirgends kam Antwort; alles war so stumm und tot wie die Steine, auf die er trat; nur für ihn allein tot ... Plötzlich unterschied er in der Ferne, zweihundert Schritte vor sich, am Ende der Straße in der immer dichter werdenden Dunkelheit eine Menschenmenge, Stimmen, Schreie ... Mitten in der Menge stand eine Equipage ... Auf der Straße bewegte sich ein Lichtschein. »Was ist das?« Raskolnikow wandte sich nach rechts und ging auf die Menge zu. Er klammerte sich gleichsam an alles fest und lächelte kalt, als er es merkte, denn er hatte sich schon fest entschlossen, auf das Polizeibureau zu gehen und wußte bestimmt, daß alles gleich ein Ende nehmen würde.
    VII
    Mitten in der Straße stand eine elegante herrschaftliche Equipage, mit einem Paar feuriger grauer Pferde bespannt; niemand saß in ihr, und der Kutscher war vom Bock gestiegen und stand daneben; die Pferde wurden an den Zügeln gehalten ... Ringsherum drängten sich viele Menschen, ganz vorne Polizisten. Einer von ihnen hielt eine kleine brennende Laterne in der Hand, mit der er, sich bückend, etwas, was auf dem Pflaster dicht vor den Rädern lag, beleuchtete. Alle sprachen, schrien und

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