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Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Titel: Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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ihrem Mann.
    Raskolnikow merkte bald, daß sie nicht zu den Frauen gehörte, die leicht in Ohnmacht fallen. Im Nu lag unter dem Kopfe des Unglücklichen ein Kissen, an das noch niemand gedacht hatte; Katerina Iwanowna begann ihn auszuziehen und zu besehen; sie tat sehr geschäftig, verlor nicht die Fassung, dachte nicht mehr an sich selbst und biß sich in die zitternden Lippen, um die Schreie zu unterdrücken, die sich ihrer Brust entringen wollten ...
    Raskolnikow überredete indessen jemand, einen Arzt zu holen. Der Arzt wohnte, wie es sich zeigte, gleich im Nebenhause.
    »Ich habe nach einem Arzt geschickt«, sagte er zu Katerina Iwanowna. »Beunruhigen Sie sich nicht, ich werde bezahlen ... Kann ich nicht Wasser haben? Und geben Sie mir eine Serviette, ein Handtuch, irgendwas, schnell; es ist noch unbekannt, wie die Verletzungen sind ... Er ist nur verletzt und nicht tot, seien Sie überzeugt ... Was wird wohl der Arzt sagen!«
    Katerina Iwanowna stürzte zum Fenster; dort stand in der Ecke auf einem durchgedrückten Stuhl eine große irdene Schüssel mit Wasser, das sie zum Waschen der Wäsche der Kinder und ihres Mannes bereitgestellt hatte. Dieses nächtliche Wäschewaschen besorgte Katerina Iwanowna eigenhändig mindestens zweimal in der Woche, manchmal auch öfter, denn sie waren schon so heruntergekommen, daß sie gar keine Wäsche zum Wechseln hatten und jedes Familienmitglied bloß ein Exemplar von allem besaß. Katerina Iwanowna konnte aber keine Unreinlichkeit ertragen und zog es vor, sich in der Nacht, während alle schliefen, über ihre Kraft abzuquälen, um die nasse Wäsche auf dem gespannten Strick bis zum Morgen zu trocknen und dann ihren Angehörigen in gewaschenem Zustande zu geben, statt in ihrem Hause Schmutz zu dulden. Sie griff schon nach der Schüssel, um sie Raskolnikow, wie er es verlangte, zu bringen, fiel aber fast mit dieser Last hin. Raskolnikow hatte aber schon ein Handtuch gefunden und angefeuchtet und fing an, das blutbedeckte Gesicht Marmeladows abzuwaschen. Katerina Iwanowna stand neben ihm, rang schmerzvoll um Atem und preßte die Hände an die Brust. Sie brauchte selbst Hilfe. Raskolnikow sah allmählich ein, daß es vielleicht falsch war, den Überfahrenen hierher bringen zu lassen. Auch der Schutzmann stand unschlüssig da.
    »Polja!« rief Katerina Iwanowna. »Lauf zu Ssonja, schnell. Wenn du sie nicht zu Hause triffst, so macht das nichts, laß ihr sagen, daß man den Vater überfahren hat und daß sie sofort herkommen soll ... sobald sie heimkommt. Schneller, Polja! Hier, nimm das Tuch, bedecke dich damit!«
    »Lauf, was du kannst!« rief plötzlich der kleine Junge von seinem Stuhl. Nachdem er das gesagt hatte, versank er wieder in sein früheres stummes aufrechtes Sitzen auf dem Stuhle, die Augen weit aufgerissen, die Fersen vorgestreckt, die Fußspitzen gespreizt.
    Das Zimmer füllte sich indessen so, daß kein Apfel zu Boden fallen konnte. Die Polizisten entfernten sich, außer einem, welcher noch dablieb und versuchte, das Publikum, das von der Treppe hereingedrungen war, wieder auf die Treppe hinauszudrängen. Dafür kamen aus den inneren Zimmern fast alle Mieter der Frau Lippewechsel zusammen; anfangs drängten sie sich nur in der Tür, dann aber fluteten sie in einem Haufen in die Stube. Katerina Iwanowna geriet in Wut.
    »Wenn ihr ihn doch wenigstens ruhig sterben lassen wolltet!« schrie sie die Menge an. »Ist das eine Theatervorstellung? Mit Zigaretten kommen sie her! Kche-kche-kche! Kommt doch auch mit Hüten herein! ... Da ist wirklich einer im Hut ... Hinaus! Man muß doch wenigstens vor einer Leiche Achtung haben!«
    Der Husten erstickte sie, aber das Schreien half. Vor Katerina Iwanowna hatte man offenbar Respekt; die Mieter drängten sich einer nach dem anderen wieder zur Tür mit dem eigentümlichen Gefühl einer inneren Befriedigung, das man stets selbst bei den Nahestehenden bemerken kann, wenn einen ihrer Mitmenschen ein Unglück trifft; von diesem Gefühl ist kein Mensch ohne Ausnahme befreit, so aufrichtig auch sein Mitleid und seine Teilnahme sind.
    Hinter der Tür wurden übrigens Stimmen laut, daß man den Verunglückten doch ins Krankenhaus schaffen solle und daß es ungehörig sei, damit die Nachbarn zu belästigen.
    »Es ist ungehörig, zu sterben!« rief Katerina Iwanowna und stürzte schon zur Tür, um sie aufzureißen und ein Donnerwetter gegen die Nachbarn loszulassen, stieß aber in der Tür mit der Frau Lippewechsel selbst zusammen, die

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