Verdammnis
gewöhnen oder es gar genießen, sich selbst im Fernsehen zu sehen.
Ekström hingegen bewegte sich völlig nonchalant vor den Kameras, rückte sich die Brille zurecht und setzte eine ernste Miene auf, die ihm vorzüglich stand. Er ließ erst eine Weile das Blitzlichtgewitter der Pressefotografen über sich ergehen, bevor er die Hände hob und um Ruhe im Saal bat. Dann fing er an zu sprechen, als läse er von einem Manuskript ab.
»Herzlich willkommen zu dieser kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Wir können Ihnen zu den Morden in Enskede von gestern Abend neue Informationen mitteilen. Mein Name ist Richard Ekström, ich bin der zuständige Staatsanwalt, und das ist Kriminalinspektor Jan Bublanski von der Bezirkspolizei, der die Ermittlungen leitet. Ich werde zunächst eine Mitteilung verlesen. Danach haben Sie die Möglichkeit, uns Fragen zu stellen.«
Ekström verstummte und betrachtete die Presseleute, die sich binnen dreißig Minuten hier eingefunden hatten. Die Morde in Enskede waren große Nachrichten und würden noch größer werden. Er stellte zufrieden fest, dass sowohl die Nachrichtenmagazine Aktuellt und Rapport als auch TV4 vertreten waren. Er erkannte Reporter von der Nachrichtenagentur TT und von verschiedenen Abend- und Morgenzeitungen wieder. Insgesamt befanden sich mindestens fünfundvierzig Journalisten im Raum.
»Wie Sie wissen, wurden gestern Abend um kurz vor Mitternacht zwei ermordete Personen in Enskede aufgefunden. Bei der Untersuchung des Tatorts wurde eine Waffe sichergestellt, ein Colt 45 Magnum. Das Staatliche Kriminaltechnische Labor hat im Laufe des Tages bestätigt, dass es sich um die Mordwaffe handelt. Der Besitzer der Waffe ist bekannt und wurde heute von uns gesucht.«
Ekström legte eine Kunstpause ein.
»Gegen 17 Uhr wurde der Besitzer der Waffe tot in seiner Wohnung in der Nähe des Odenplan aufgefunden. Er ist erschossen worden und war zur Zeit des Doppelmordes in Enskede wahrscheinlich schon tot. Die Polizei« - an dieser Stelle wandte sich Ekström an Bublanski - »glaubt, dass es sich um ein und denselben Täter handelt, der damit also wegen dreifachen Mordes gesucht wird.«
Hektisches Gemurmel brach aus, als die meisten Reporter mit gedämpften Stimmen in ihre Handys sprachen. Ekström hob seine Stimme etwas.
»Gibt es einen Verdächtigen?«, rief ein Radioreporter.
»Dazu komme ich gleich. Heute Abend gibt es bereits eine namentlich bekannte Person, die die Polizei im Zusammenhang mit diesen drei Morden verhören will.«
»Wie heißt er?«
»Es ist eine Sie. Die Polizei sucht eine 26-jährige Frau, die mit dem Besitzer der Waffe in Verbindung gebracht werden kann, welche sich, wie wir wissen, am Tatort in Enskede befunden hat.«
Bublanski runzelte die Stirn. Er wirkte verbissen. Jetzt kamen sie zu dem Punkt der Tagesordnung, über den Ekström und er sich nicht einig geworden waren, nämlich zu der Frage, ob die Fahndungsleitung die Person, die sie des dreifachen Mordes verdächtigten, namentlich nennen sollte. Bublanski wollte noch abwarten, Ekström war jedoch der Meinung, dass man nicht länger warten durfte.
Seine Argumente waren unanfechtbar. Die Polizei suchte eine namentlich bekannte psychisch kranke Frau, die aus guten Gründen dreier Morde verdächtigt wurde. Im Laufe des Tages war erst bezirksweit und danach landesweit eine Fahndung eingeleitet worden. Ekström behauptete, dass Lisbeth Salander als gefährlich betrachtet werden müsse und es daher im allergrößten Interesse der Allgemeinheit war, sie so schnell wie möglich festzunehmen.
Bublanskis Argumente hingegen standen auf wackligen Füßen. Er meinte, man solle zunächst die technische Untersuchung von Bjurmans Wohnung abwarten, bevor sich die Fahndungsleitung auf eine einzige Alternative festlegte.
Dagegen argumentierte Ekström, dass Lisbeth Salander laut Aktenlage eine psychisch kranke und gewaltbereite Frau sei. Irgendetwas habe offensichtlich ihre mörderische Raserei ausgelöst, und es gäbe keine Garantien, dass die Gewalttaten schon aufhören würden.
»Was machen wir, wenn sie in weitere Wohnungen geht und noch mehr Leute erschießt?«, lautete Ekströms rhetorische Frage.
Darauf konnte Bublanski ihm keine befriedigende Antwort geben, und Ekström fügte noch hinzu, dass es jede Menge Präzedenzfälle gäbe. Als der dreifache Mörder Juha Valjakkala aus Åmsele landesweit gesucht wurde, war die Polizei mit einer Fahndungsmeldung an die Öffentlichkeit gegangen, da man ihn als
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