Verdammnis
Dezernat für Gewaltverbrechen gewechselt, wo er Dutzende von dramatischen Ermittlungen geleitet hatte. Als Anfang der 90er-Jahre der Lasermann wütete, agierte Bohman als eine der Schlüsselfiguren. 1997 ging er dann zu Milton, was Armanskij einiges an Überredungskünsten und das Versprechen eines wesentlich höheren Gehalts gekostet hatte.
Niklas Eriksson galt als Senkrechtstarter. Er war an der Polizeihochschule gewesen und hatte erst im allerletzten Moment vor seinem Examen erfahren, dass er einen angeborenen Herzfehler hatte, der nicht nur eine größere Operation erforderlich machte, sondern auch seine angestrebte Polizeikarriere verhinderte.
Fräklund - der ein Kollege von Erikssons Vater gewesen war - hatte Armanskij vorgeschlagen, dem Jungen eine Chance zu geben. Da in der Analyseeinheit eine Stelle frei war, gab Armanskij seine Zustimmung - und musste es nicht bereuen. Eriksson arbeitete nun schon seit fünf Jahren für Milton. Im Gegensatz zu den meisten anderen Mitarbeitern der operativen Abteilung hatte Eriksson zwar keine praktischen Erfahrungen, aber dafür war er ein scharfsinniger Denker.
»Guten Morgen zusammen, setzen Sie sich, lesen Sie das bitte durch«, sagte Armanskij.
Er teilte drei Mappen aus, die jeweils um die fünfzig Seiten kopierte Zeitungsausschnitte von der Jagd auf Lisbeth Salander enthielten sowie einen dreiseitigen Bericht über ihren Hintergrund. Armanskij hatte den Ostermontag damit verbracht, die Personalakte zu durchforsten. Eriksson war als Erster fertig und legte die Mappe auf den Tisch. Armanskij wartete, bis auch Bohman und Fräklund fertig waren.
»Ich nehme an, keinem der Herren sind am Wochenende die Schlagzeilen der Abendzeitungen entgangen«, stellte Dragan Armanskij fest.
»Lisbeth Salander«, sagte Fräklund düster.
Sonny Bohman schüttelte den Kopf.
Niklas Eriksson blickte mit unergründlicher Miene und der Andeutung eines Lächelns in die Luft.
Dragan Armanskij betrachtete das Trio mit forschendem Blick.
»Eine unserer Angestellten«, fuhr er fort. »Wie gut haben Sie sie kennengelernt in den Jahren, als sie hier arbeitete?«
»Ich habe einmal versucht, einen Scherz zu machen«, erzählte Niklas Eriksson mit vagem Lächeln. »Ging leicht daneben. Ich dachte, die beißt mir gleich den Kopf ab. Sie war ein absoluter Griesgram, mit dem ich wahrscheinlich insgesamt nicht mehr als zehn Sätze gewechselt habe.«
»Sie war ziemlich eigen«, bestätigte Fräklund.
Bohman zuckte mit den Schultern. »Sie war völlig verrückt und unausstehlich, wenn man mit ihr zu tun hatte. Ich wusste, dass sie einen Schaden hat, aber nicht, dass sie total durchgeknallt ist.«
Dragan Armanskij nickte.
»Sie ist immer ihren eigenen Weg gegangen«, stimmte er zu. »Sie war nicht leicht im Umgang. Aber ich habe sie engagiert, weil sie die beste Researcherin war, die mir jemals begegnet ist. Die Arbeit, die sie abgeliefert hat, lag immer weit über dem Durchschnitt.«
»Das hab ich nie verstanden«, meinte Fräklund. »Ich konnte einfach nicht begreifen, wie sie so unglaublich kompetent sein konnte und gleichzeitig sozial so völlig unfähig.«
Alle drei nickten.
»Die Erklärung ist natürlich in ihrem psychischen Zustand zu suchen«, erklärte Armanskij und tippte auf eine der Mappen. »Man hatte sie für nicht geschäftsfähig erklärt.«
»Davon wusste ich überhaupt nichts«, sagte Eriksson. »Ich meine, sie hatte ja auch kein Schild umhängen, auf dem stand, dass sie einen rechtlichen Betreuer hatte. Und Sie haben nie etwas davon erwähnt.«
»Nein«, gab Armanskij zu. »Weil ich fand, dass sie nicht noch mehr stigmatisiert werden musste, als sie es sowieso schon war. Alle Menschen verdienen eine Chance.«
»Das Ergebnis dieses Experiments haben wir in Enskede gesehen«, kommentierte Bohman.
»Vielleicht«, meinte Armanskij.
Armanskij zögerte kurz. Seine Schwäche für Lisbeth Salander wollte er vor diesen drei Männern nicht eingestehen, die ihn jetzt so erwartungsvoll ansahen. Bis jetzt war der Ton des Gesprächs ganz neutral gewesen, aber Armanskij wusste sehr wohl, dass alle drei Lisbeth Salander gehasst hatten, wie jeder andere Mitarbeiter bei Milton Security auch. Er durfte nicht schwach oder verwirrt aussehen. Er musste die Sache so vorbringen, dass er ein gewisses Maß an Enthusiasmus und Professionalität in ihnen weckte.
»Ich habe zum ersten Mal in meiner Karriere beschlossen, dass wir Miltons Ressourcen für eine interne Angelegenheit einsetzen«,
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