Verdammnis
hatte. Er stellte sein Auto ab und sah, dass das »Sommerhäuschen« ein modernes Einfamilienhaus mit Ganzjahresstandard und Seeblick war. Über einen Kiesweg ging er bis zur Haustür und klingelte. Gunnar Björck war dem Passbild, das Dag Svensson aufgetrieben hatte, nicht unähnlich.
»Guten Tag«, grüßte Mikael.
»So, dann haben Sie mich also gefunden.«
»Kein Problem.«
»Kommen Sie rein. Wir setzen uns in die Küche.«
»Gut.«
Gunnar Björck schien ganz gesund zu sein, humpelte aber leicht.
»Ich bin krankgeschrieben«, erklärte er.
»Nichts Ernstes, hoffe ich«, sagte Mikael.
»Ich hatte einen Bandscheibenvorfall und warte auf meinen Operationstermin. Möchten Sie Kaffee?«
»Nein, danke«, antwortete Mikael, setzte sich auf einen Küchenstuhl, machte seine Tasche auf und zog eine Mappe heraus. Björck nahm ihm gegenüber Platz.
»Sie kommen mir so bekannt vor. Sind wir uns schon mal begegnet?«
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, erwiderte Mikael.
»Sie kommen mir sehr bekannt vor.«
»Sie haben mich vielleicht schon mal in der Zeitung gesehen.«
»Wie war noch mal Ihr Name?«
»Mikael Blomkvist. Ich bin Journalist und arbeite für die Zeitschrift Millennium .«
Gunnar Björck wirkte verwirrt. Dann fiel der Groschen. Kalle Blomkvist. Die Wennerström-Affäre. Aber die Implikationen waren ihm trotzdem noch nicht ganz klar.
» Millennium . Ich wusste gar nicht, dass Sie auch Marktforschung betreiben.«
»Das machen wir auch nur in Ausnahmefällen. Ich möchte, dass Sie sich drei Fotos ansehen und mir sagen, welches Modell Ihnen am besten gefällt.«
Mikael legte die ausgedruckten Bilder von drei Mädchen auf den Tisch. Eines der Bilder hatte er von einer Pornoseite aus dem Internet heruntergeladen. Die beiden anderen waren vergrößerte Passbilder in Farbe.
Gunnar Björck wurde plötzlich leichenblass.
»Ich verstehe nicht ganz.«
»Nein? Das hier ist Lidia Komarova, 16 Jahre, aus Minsk in Weißrussland. Daneben Myang So Chin, besser bekannt als Jo-Jo aus Thailand. Sie ist 25. Und schließlich haben wir hier noch Jelena Barasowa, 19 Jahre, aus Tallinn. Sie haben gegen Bezahlung Sex mit allen dreien gehabt, und ich frage Sie, welche Ihnen am besten gefallen hat. Betrachten Sie es als Marktforschungsstudie.«
Bublanski sah Miriam Wu zweifelnd an. Sie erwiderte seinen Blick nicht viel freundlicher.
»Wenn ich noch einmal zusammenfassen darf: Sie behaupten, Sie kennen Lisbeth Salander seit knapp drei Jahren. Sie hat Ihnen dieses Frühjahr ohne Gegenleistung ihre Wohnung überschrieben und ist woanders hingezogen. Sie haben ab und zu Sex mit ihr, wenn sie sich bei Ihnen meldet, aber Sie wissen nicht, wo sie wohnt, was sie sonst so macht oder wie sie ihren Lebensunterhalt verdient. Und Sie wollen, dass ich Ihnen das abnehme?«
»Es ist mir scheißegal, ob Sie mir das abnehmen. Ich habe kein Verbrechen begangen, und wie ich mein Leben leben möchte oder mit wem ich Sex habe, geht weder Sie noch irgendjemand anders was an.«
Bublanski seufzte. Mit großer Erleichterung hatte er am Morgen die Nachricht aufgenommen, dass Miriam Wu aufgetaucht war. Endlich ein Durchbruch . Die Auskünfte, die er von ihr bekam, waren jedoch alles andere als erhellend. Sie waren sogar extrem eigenartig. Das Dumme war nur, dass er Miriam Wu glaubte. Sie antwortete klar und deutlich und ohne jedes Zögern. Sie konnte Orte und Zeitpunkte ihrer Treffen mit Lisbeth Salander benennen, und sie konnte so detailliert beschreiben, wie ihr Umzug in die Lundagatan vonstatten gegangen war, dass Bublanski und Modig zu dem Schluss kamen, dass eine so seltsame Story einfach wahr sein musste.
Hans Faste hatte dem Verhör mit wachsender Gereiztheit zugehört, konnte sich aber noch beherrschen. Er fand, dass Bublanski viel zu lax mit diesem Chinesenmädchen umging - ganz offensichtlich ein arrogantes Stück, das viele Worte machte, um die Antwort auf die einzig wichtige Frage zu vermeiden. Nämlich wo zum Teufel sich die verdammte Nutte Lisbeth Salander versteckte?
Doch Miriam Wu wusste nicht, wo Lisbeth Salander sich aufhielt. Sie wusste nicht, ob Salander arbeitete. Sie hatte noch nie von Milton Security gehört. Sie hatte auch noch nie von Dag Svensson und Mia Bergman gehört und konnte daher keine einzige relevante Frage beantworten. Sie hatte keine Ahnung, dass Salander unter rechtlicher Betreuung stand, dass sie als Jugendliche in eine psychiatrische Anstalt zwangseingewiesen worden war und ausführliche
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