Verdammnis
zudrückte und sie merkte, wie ihr die Waffe aus der Hand glitt.
Verflucht.
Dann schleuderte Niedermann sie ins Zimmer. Krachend landete sie auf einem Sofa und glitt auf den Boden. Sie spürte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg, und rappelte sich benommen auf. Da entdeckte sie auf dem Tisch einen schweren, dreieckigen Aschenbecher aus massivem Glas, packte ihn und holte aus. Niedermann hielt ihren Arm jedoch mitten in der Bewegung fest. Da steckte sie ihre freie Hand in die linke Hosentasche, zog die Elektroschockpistole und drückte sie Niedermann zwischen die Beine.
Sie selbst spürte einen kräftigen elektrischen Schlag, der sich durch Niedermanns Arm auf sie fortpflanzte. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er vor Schmerzen zusammenbrechen würde. Stattdessen sah er sie nur verdattert an. Lisbeth riss schockiert die Augen auf. Offensichtlich war ihm der Stromstoß irgendwie unangenehm, doch schien er keine Schmerzen zu fühlen. Er ist nicht normal.
Niedermann bückte sich, nahm ihr die Elektroschockpistole weg und musterte sie verwundert. Dann versetzte er Lisbeth eine Ohrfeige mit der offenen Hand. Genauso gut hätte er sie mit einer Keule treffen können. Sie sackte vor dem Sofa zu Boden. Als sie den Blick hob, sah sie Ronald Niedermann in die Augen. Er betrachtete sie neugierig, als würde er sich fragen, was sie sich wohl als Nächstes einfallen ließ. Wie eine Katze, die mit ihrer Beute spielt.
Da nahm sie schemenhaft eine Bewegung in der Tür wahr. Sie wandte den Kopf.
Langsam trat er ins Licht.
Er stützte sich auf einen Stock mit Handgriff. Sie sah die Prothese, die aus einem Hosenbein herausschaute.
Seine linke Hand war ein unförmiger Klumpen, an dem ein paar Finger fehlten.
Sie hob den Blick und sah ihm ins Gesicht. Die linke Hälfte war durch die Narbenbildung auf der verbrannten Haut ein einziger Flickenteppich. Sein Ohr war ein kleiner Stummel, und er hatte keine Augenbrauen mehr. Sein Kopf war kahl. Sie hatte ihn als athletischen Mann mit wallenden schwarzen Haaren in Erinnerung. Er war 1 Meter 65 groß und ausgemergelt.
»Hallo, Papa«, sagte sie tonlos.
Alexander Zalatschenko betrachtete seine Tochter ebenso ausdruckslos.
Ronald Niedermann schaltete die Deckenlampe an. Er untersuchte sie auf weitere Waffen, indem er sie abtastete, dann sicherte er ihre P-83 Wanad und nahm das Magazin heraus. Zalatschenko schlurfte an Lisbeth vorbei zu einem Sessel und hob eine Fernbedienung.
Lisbeths Blick fiel auf den Bildschirm hinter ihm. Zalatschenko schaltete das Gerät ein, und auf einmal sah sie ein grün flimmerndes Bild des Geländes hinter dem Kuhstall und ein Stück des Zufahrtswegs zum Haus. Eine Kamera mit Nachtsichtgerät. Sie hatten die ganze Zeit gewusst, dass sie auf dem Weg zu ihnen war.
»Ich dachte schon, du traust dich gar nicht zu uns rein«, sagte Zalatschenko. »Wir beobachten dich seit vier Uhr. Du hast fast jeden Alarm auf dem Hof ausgelöst.«
»Bewegungsmelder«, sagte Lisbeth. »Zwei am Zufahrtsweg und vier auf der Lichtung hinter der Wiese. Du hast dir deinen Beobachtungsposten genau dort gewählt, wo wir einen Alarm installiert haben. Von dort aus hat man den besten Blick über den Hof. Meistens sind es Elche oder wilde Tiere, manchmal auch Beerensucher, die zu nahe herankommen. Aber wir kriegen nur selten jemand zu sehen, der sich mit einer Waffe in der Hand anschleicht.«
Er schwieg einen Moment.
»Hast du wirklich gedacht, Zalatschenko würde völlig ungeschützt in einem kleinen Haus auf dem Land sitzen?«
Lisbeth massierte sich das Genick und machte Anstalten, aufzustehen.
»Bleib auf dem Boden sitzen«, befahl Zalatschenko scharf.
Niedermann hörte auf, an ihrer Waffe herumzuspielen, und betrachtete sie ruhig. Dabei zog er eine Braue hoch und grinste sie an. Lisbeth fiel ein, wie lädiert Paolo Robertos Gesicht im Fernsehen ausgesehen hatte, und beschloss, sich nicht zu widersetzen. Sie atmete aus und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Sofa.
Zalatschenko streckte seine gesunde rechte Hand aus. Niedermann zog eine Waffe aus dem Hosenbund, lud nach und reichte sie ihm. Lisbeth bemerkte, dass es eine Sig Sauer war, die Standardwaffe der Polizei. Zalatschenko nickte. Ohne weiteren Kommentar drehte Niedermann sich um und zog sich eine Jacke an. Dann verließ er das Zimmer, und Lisbeth hörte, wie er aus dem Haus ging.
»Nur damit du nicht auf dumme Gedanken kommst. In dem Moment, wo du versuchst aufzustehen, schieße ich dir in den
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