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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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an den richtigen Ort gekommen war. Sie stellte abermals fest, dass Niedermann ein Koloss war. Aber er war doch aus Fleisch und Blut wie alle anderen Menschen - was auch immer Paolo Roberto und Miriam Wu mit ihm erlebt hatten. Niedermann ging ums Haus herum und verschwand ein paar Minuten bei seinem Auto hinterm Kuhstall. Dann kam er mit einer kleinen Tasche zurück und ging wieder ins Haus.
    Nur wenige Minuten später kam er wieder heraus. Diesmal in Begleitung eines kleinen, schmächtigen älteren Mannes, der hinkte und sich auf eine Krücke stützte. Es war zu dunkel, als dass Lisbeth seine Gesichtszüge hätte erkennen können, aber sie spürte, wie es ihr eiskalt den Rücken hinunterlief.
    Daaaaddyyy, I am heeeere …
    Sie beobachtete, wie Zalatschenko und Niedermann den Zufahrtsweg hinuntergingen. Am Schuppen blieben sie stehen. Niedermann holte ein wenig Feuerholz. Dann gingen sie wieder zurück ins Haus und schlossen die Tür.
    Lisbeth blieb mehrere Minuten still liegen. Dann ließ sie ihr Fernglas sinken und zog sich ungefähr zehn Meter zurück, bis sie völlig hinter den Bäumen verborgen war. Sie öffnete ihren Rucksack, zog die Thermoskanne heraus, goss sich einen Becher schwarzen Kaffee ein und steckte sich ein Stück Würfelzucker in den Mund. Dazu aß sie ein Käsesandwich, das sie sich auf dem Weg nach Göteborg an einer Tankstelle gekauft hatte. Sie überlegte.
    Schließlich nahm sie Sonny Nieminens polnische P-83 aus dem Rucksack. Sie zog das Magazin heraus und kontrollierte, ob auch nichts den Lauf blockierte. Dann machte sie einen Probeschuss ohne Munition. Im Magazin steckten sechs 9-Millimeter-Makarov-Patronen. Das sollte reichen. Sie drückte das Magazin wieder hinein und lud eine Kugel in den Lauf. Dann sicherte sie die Waffe und steckte sie in die rechte Jackentasche.
     
    In einem großen Bogen rückte Lisbeth Salander zu dem Gebäude vor. Sie hatte sich ihm bis auf hundertfünfzig Meter genähert, da erstarrte sie plötzlich mitten in der Bewegung.
    An den Rand seines Exemplars der Arithmetica hatte Pierre de Fermat die Worte gekritzelt: Ich habe einen wahrhaft wunderbaren Beweis für diese Behauptung, aber der Rand ist allzu schmal, um ihn zu fassen.
    Das Quadrat war in eine dritte Potenz verwandelt worden, a 3 + b 3 = c 3 , und die Mathematiker hatten jahrhundertelang versucht, die Lösung zu Fermats Rätsel zu finden. Bis Andrew Wiles in den 90ern schließlich auf die Lösung kam, hatte er zehn Jahre lang mit dem höchstentwickelten Computerprogramm der Welt gearbeitet.
    Und mit einem Mal begriff sie alles. Die Antwort war so entwaffnend einfach. Ein Spiel mit Ziffern, die sich aneinanderreihten und sich plötzlich zu einer einfachen Formel gruppierten, die vor allem ein Rätsel sein sollte.
    Fermat hatte keinen Computer besessen, und Andrew Wiles’ Lösung baute auf einer Mathematik auf, die noch nicht einmal erfunden war, als Fermat sein Theorem formuliert hatte. Fermat hätte niemals den Beweis erbringen können, den Andrew Wiles schließlich vorlegte. Fermats Lösung musste natürlich ganz anders aussehen.
    Ihre Verblüffung war so groß, dass sie sich erst mal auf einen Baumstumpf setzen musste.
    So hat er das also gemeint. Kein Wunder, dass sich die Mathematiker die Haare gerauft haben.
    Dann kicherte sie.
    Ein Philosoph hätte größere Chancen gehabt, dieses Rätsel zu lösen .
    Sie hätte Fermat zu gern kennengelernt.
    So ein Angeber.
    Nach einer Weile stand sie auf und ging durch den Wald weiter auf den Hof zu. Schließlich lag zwischen ihr und dem Wohnhaus nur noch der Kuhstall.

31. Kapitel
    Donnerstag, 7. April
     
     
     
     
    Lisbeth Salander betrat den Kuhstall durch einen Seiteneingang zu einer alten Abwasserrinne. Es waren keine Tiere im Stall. Sie sah sich um und stellte rasch fest, dass hier nichts stand außer drei Autos - der weiße Volvo von Auto-Expert, ein älterer Ford und ein etwas modernerer Saab. Etwas weiter hinten befanden sich noch eine verrostete Egge sowie andere Geräte aus der Zeit, als das Anwesen noch landwirtschaftlich genutzt wurde.
    Sie blieb im Dunkeln des Stalls stehen und betrachtete von dort das Wohnhaus. Draußen war es finster, und in allen Zimmern des Obergeschosses brannte Licht. Sie konnte keine Bewegung ausmachen, glaubte aber, den flimmernden Schein eines Fernsehers zu erkennen. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. 19 Uhr 30. Rapport .
    Es verblüffte sie, dass Zalatschenko sich für so eine abgelegene Behausung entschieden hatte.

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