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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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Das sah dem Mann, an den sie sich von früher erinnerte, so gar nicht ähnlich. Niemals hätte sie erwartet, ihn auf einem entlegenen kleinen Bauernhof zu finden, eher in einer anonymen Villengegend oder an irgendeinem Urlaubsort im Ausland. Er musste sich im Laufe seines Lebens mehr Feinde geschaffen haben als Lisbeth Salander. Irgendwie machte es sie misstrauisch, dass der Platz so ungeschützt wirkte, doch sie rechnete damit, dass er Waffen im Hause hatte.
    Nach langem Zögern glitt sie im Dämmerlicht aus dem Stall, eilte leichtfüßig über den Hof bis zum Wohnhaus, wo sie stehen blieb, den Rücken an die Wand gedrückt. Plötzlich hörte sie leise Musik. Lautlos schlich sie ums Haus und versuchte, einen Blick durch die Fenster zu werfen, aber sie waren zu hoch.
    Instinktiv missfiel ihr die ganze Situation. Die erste Hälfte ihres Lebens hatte sie in ständiger Angst vor dem Mann gelebt, der in diesem Haus wohnte. Die andere Hälfte ihres Lebens, seit ihr erster Mordversuch gescheitert war, hatte sie darauf gewartet, dass er wieder in ihr Leben trat. Diesmal wollte sie keinen Fehler machen. Zalatschenko mochte ein alter Krüppel sein, aber er war ein perfekt ausgebildeter Killer, der schon mehr als einen Kampf unbeschadet überstanden hatte.
    Außerdem musste sie noch Ronald Niedermann mit einkalkulieren.
    Am liebsten hätte sie Zalatschenko ja irgendwo im Freien überrascht - auf dem Hof, wo er ungeschützt war. Sie verspürte wenig Lust, mit ihm zu reden, und hätte am liebsten ein Gewehr mit Zielfernrohr gehabt. Aber sie hatte keines, und außerdem war er gehbehindert. Sie hatte ihn nur ganz flüchtig gesehen, als er Niedermann zum Holzschuppen begleitet hatte, und es war recht unwahrscheinlich, dass er plötzlich Lust auf einen Abendspaziergang bekam. Was bedeutete, dass sie sich zurückziehen und im Wald übernachten musste, wenn sie eine bessere Gelegenheit abwarten wollte. Sie hatte jedoch keinen Schlafsack, und obwohl die Abendluft mild war, würde es in der Nacht ziemlich kalt werden. Jetzt, wo sie ihn endlich in Reichweite hatte, wollte sie nicht riskieren, dass er ihr wieder entwischte. Sie dachte an ihre Mutter und Mimmi.
    Lisbeth biss sich auf die Unterlippe. Sie musste ins Haus eindringen, auch wenn das die schlechteste aller Alternativen war. Natürlich konnte sie an die Tür klopfen, die Waffe sofort abfeuern, sobald ihr jemand aufmachte, und dann ins Haus gehen, um sich den anderen Schweinehund zu schnappen. Aber das würde wiederum bedeuten, dass der zweite vorgewarnt und somit bewaffnet war. Konsequenzanalyse. Was gibt es noch für Alternativen?
    Plötzlich erhaschte sie einen Blick auf Niedermanns Profil, als er nur wenige Meter von ihr entfernt an einem Fenster vorbeiging. Er blickte über die Schulter nach hinten und redete mit jemandem im Zimmer.
    Beide befinden sich im Zimmer links von der Eingangstür.
    Lisbeth fasste einen Entschluss. Sie zog die Pistole aus der Jackentasche, entsicherte sie und ging lautlos die Stufen zur Haustür hinauf. Ihre Waffe hielt sie in der linken Hand, während sie mit der anderen unendlich langsam die Klinke nach unten drückte. Es war nicht abgeschlossen. Sie runzelte die Stirn und zögerte. Dabei war an der Tür doch ein doppeltes Sicherheitsschloss montiert.
    Zalatschenko hätte die Tür niemals unverschlossen gelassen. Ihre Nackenhärchen stellten sich auf.
    Hier stimmte was nicht, das spürte sie.
    Der Flur war stockfinster. Rechts konnte sie eine Treppe erkennen, die ins Obergeschoss führte. Durch einen Spalt über der Tür drang ein schmaler Lichtstrahl. Lisbeth blieb stehen und horchte. Dann hörte sie eine Stimme und das scharrende Geräusch eines Stuhls aus dem Raum zu ihrer Linken.
    Mit zwei schnellen Schritten war sie bei der Tür, riss sie auf und richtete die Waffe in … ein leeres Zimmer .
    Plötzlich hörte sie das Rascheln von Kleidern hinter sich und fuhr herum wie ein Reptil. In derselben Sekunde, als sie versuchte, ihre Pistole hochzureißen, schloss sich Ronald Niedermanns riesige Hand wie ein Eisenband um ihren Hals, während er mit der anderen Lisbeths Waffenhand festhielt. Am Genick hob er sie in die Luft, als wäre sie eine Puppe.
    Eine Sekunde lang zappelte sie mit den Füßen in der Luft, doch dann holte sie aus und trat Niedermann in den Schritt. Sie verfehlte ihr Ziel und traf ihn nur außen an der Hüfte, was sich anfühlte, als hätte sie gegen einen Baumstamm getreten. Ihr wurde schwarz vor Augen, als er ihren Hals

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