Verdammnis
die Erde weg und warf sie mit einem Ruck des Handgelenks beiseite. Plötzlich konnte sie ihre rechte Schulter bewegen und sie durch die Erdschicht nach oben drücken. Dann entfernte sie so viel Sand und Erde, dass sie den Kopf heben konnte. Somit waren ihr rechter Arm und ihr Kopf oberhalb der Erdoberfläche. Als sie ihren Oberkörper zum Teil freigelegt hatte, konnte sie sich Zentimeter für Zentimeter nach oben hinauswinden, bis die Erde plötzlich ihr Bein freigab.
Mit geschlossenen Augen kroch sie aus ihrem Grab heraus und hielt erst an, als sie mit der Schulter gegen einen Baumstamm stieß. Langsam drehte sie sich um, sodass sie sich rücklings gegen den Baum lehnen konnte, und wischte sich mit dem Handrücken den Dreck von den Augen, bevor sie sie aufschlug. Um sie herum war es stockfinster, die Luft war eiskalt. Sie schwitzte. Obwohl sie einen dumpfen Schmerz in Kopf, linker Schulter und Hüfte verspürte, verschwendete sie keine Energie darauf, über ihre Verletzungen nachzudenken. Sie blieb einfach zehn Minuten still sitzen und atmete. Dann wurde ihr klar, dass sie hier nicht bleiben konnte.
Sie kämpfte sich hoch, während die Welt um sie herum gefährlich schwankte.
Im nächsten Moment wurde ihr speiübel. Sie beugte sich vor und übergab sich.
Dann begann sie zu gehen. Sie hatte keine Ahnung, in welche Richtung sie ging. Sie hatte Probleme mit dem linken Bein und fiel regelmäßig auf die Knie. Dabei schoss ihr jedes Mal ein heftiger Schmerz durch den Kopf.
Sie wusste nicht, wie lange sie schon unterwegs war, als sie plötzlich im Augenwinkel ein Licht wahrnahm. Sie änderte die Richtung und stolperte weiter voran. Erst als sie vor dem Schuppen auf dem Hof stand, ging ihr auf, dass sie geradewegs zu Zalatschenkos Haus zurückmarschiert war. Sie blieb stehen und schwankte hin und her wie eine Betrunkene.
Die Bewegungsmelder am Zufahrtsweg und auf der Lichtung. Ich komme aus der anderen Richtung. Diesmal haben sie mich nicht entdeckt .
Die Erkenntnis stürzte sie in Verwirrung. Ihr war klar, dass sie nicht in der Form war, um Niedermann und Zalatschenko zu einem zweiten Kampf herauszufordern. Nachdenklich betrachtete sie das weiße Wohngebäude.
Klick . Holz. Klick . Feuer.
Sie fantasierte von einem Benzinkanister und einem Streichholz.
Mühsam steuerte sie auf den Schuppen zu und taumelte zu einer Tür, die mit einem Querbalken verschlossen war. Es gelang ihr, den Balken zu heben, indem sie die rechte Schulter darunterstemmte. Sie hörte das Poltern, als der Balken zu Boden fiel und dabei gegen die Tür knallte. Sie trat ins Dunkel des Schuppens und sah sich um.
Hier gab es nur Brennholz. Kein Benzin.
Am Küchentisch hob Alexander Zalatschenko den Blick, als er das Geräusch vom Schuppen hörte. Er schob die Küchengardine beiseite und blickte hinaus in die schwarze Nacht. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Der Wind wurde immer heftiger da draußen - wie es aussah, würde der angekündigte Sturm nicht mehr lange auf sich warten lassen. Da sah er, dass die Tür des Holzschuppens einen Spalt offen stand.
Gemeinsam mit Niedermann hatte er am Nachmittag Brennholz geholt. Ein unnötiger Ausflug, mit dem sie hauptsächlich Lisbeth zeigen wollten, dass sie an den richtigen Ort gekommen war.
Hatte Niedermann nicht daran gedacht, den Querbalken wieder vor die Tür zu legen? Manchmal war er aber auch zu vergesslich. Er schielte durch die Tür ins Wohnzimmer, wo Niedermann auf dem Sofa eingeschlafen war. Einen Moment lang überlegte er, ihn zu wecken, aber dann dachte er sich, dass er ihn genauso gut schlafen lassen konnte. Er stand von seinem Küchenstuhl auf.
Um Benzin zu finden, musste Lisbeth in den Kuhstall gehen, wo die Autos standen. Sie stützte sich auf einem Hauklotz ab und atmete schwer. Sie musste sich ausruhen. Nachdem sie ein paar Minuten dort gesessen hatte, hörte sie plötzlich die schleifenden Schritte von Zalatschenkos Prothese vor dem Schuppen.
Im Dunkeln verfuhr Mikael sich bei Mellby, nördlich von Sollebrunn. Statt nach Nossebro abzubiegen, fuhr er weiter in Richtung Norden und bemerkte seinen Irrtum erst, als er nach Trökörna kam. Dort hielt er an und sah auf seiner Straßenkarte nach.
Fluchend wendete er den Wagen.
Eine Sekunde bevor Alexander Zalatschenko den Schuppen betrat, griff sich Lisbeth Salander mit der rechten Hand die Axt vom Hauklotz. Sie hatte nicht genug Kraft, um sie über den Kopf zu heben,
Weitere Kostenlose Bücher