Verdammnis
eine Verräterin vor.«
»Mikael wird es verstehen. Alle Menschen müssen sich verändern, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Und jetzt ist es für dich so weit.«
»Ich weiß.«
»Hast du dich denn wirklich schon entschieden?«
»Ja. Ich hab mich entschieden. Aber ich hatte nicht den Mut, es irgendjemandem zu erzählen. Und ich habe das Gefühl, die anderen mitten im allergrößten Chaos im Stich zu lassen.«
Er nahm seine Frau in den Arm.
Dragan Armanskij rieb sich die Augen und sah aus dem Fenster der Reha-Klinik in die Dunkelheit hinaus.
»Wir sollten Bublanski anrufen«, meinte er.
»Nein«, widersprach Palmgren. »Weder Bublanski noch ein anderer Beamter irgendeiner Behörde hat jemals einen Finger für sie gerührt. Lassen Sie sie jetzt ihre Angelegenheiten auch allein regeln.«
Armanskij betrachtete Lisbeth Salanders ehemaligen Betreuer. Er war immer noch verblüfft, wie sehr sich Palmgrens Gesundheitszustand seit seinem letzten Besuch im Juli verbessert hatte. Der Anwalt lallte zwar noch immer, doch in seine Augen war das Leben zurückgekehrt. Außerdem merkte er ihm eine Wut an, mit der er schon früher Bekanntschaft gemacht hatte. Im Laufe des Abends hatte Palmgren ihm die ganze Geschichte erzählt, wie Mikael Blomkvist sie rekonstruiert hatte. Armanskij war schockiert.
»Sie wird versuchen, ihren Vater umzubringen.«
»Schon möglich«, erwiderte Palmgren seelenruhig.
»Oder Zalatschenko bringt sie um.«
»Auch möglich.«
»Und wir sollen einfach nur abwarten?«
»Dragan … Sie sind ein guter Mensch. Aber was Lisbeth tut oder nicht tut, ob sie überlebt oder nicht, entzieht sich Ihrer Verantwortung.«
Palmgren hob ratlos die Arme. Plötzlich waren motorische Fähigkeiten zurückgekehrt, die ihm lange gefehlt hatten. Als hätte das Drama der letzten Wochen seine betäubten Sinne angeregt.
»Ich hatte noch nie Sympathien für Leute, die das Gesetz selbst in die Hand nehmen. Andererseits kenne ich niemanden, der bessere Gründe dafür hätte. Auch wenn ich Gefahr laufe, mich wie ein Zyniker anzuhören … was heute Nacht geschieht, wird geschehen, ganz egal, was Sie oder ich darüber denken. Seit ihrer Geburt stand es in den Sternen. Wir müssen nur überlegen, wie wir uns Lisbeth gegenüber verhalten, wenn sie zurückkommt.«
Armanskij seufzte und warf dem alten Anwalt einen betrübten Blick zu.
»Und wenn sie die nächsten zehn Jahre hinter Gittern verbringt, dann war das eben ihre Entscheidung. Ich werde weiterhin ihr Freund bleiben.«
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie so freizügige Ansichten über die Menschen hegen.«
»Ich auch nicht«, gab Holger Palmgren zu.
Miriam Wu starrte an die Decke. Ihre Nachttischlampe brannte, und das Radio spielte leise. »On a Slow Boat to China«. Tags zuvor war sie im Krankenhaus aufgewacht, in das Paolo Roberto sie gebracht hatte. Sie hatte unruhig geschlafen, war aufgewacht und dann wieder eingeschlafen. Die Ärzte behaupteten, sie habe eine Gehirnerschütterung, weshalb sie ruhig liegen bleiben musste. Außerdem hatte sie noch ein gebrochenes Nasenbein, drei gebrochene Rippen und Blessuren am ganzen Körper. Ihre linke Augenbraue war dermaßen angeschwollen, dass vom Auge nur ein kleiner Schlitz blieb. Sowie sie versuchte, ihre Stellung zu ändern, tat ihr alles weh. Selbst das Atmen tat weh. Sie hatte Schmerzen im Genick und trug zur Sicherheit eine Halskrause. Die Ärzte hatten ihr allerdings versichert, dass sie wieder ganz gesund werden würde.
Als sie gegen Abend aufwachte, saß Paolo Roberto an ihrem Bett. Er lächelte sie an und fragte, wie es ihr ginge. Sie hingegen fragte sich als Erstes, ob sie genauso jämmerlich aussah wie er.
Sie hatte Fragen, und er erklärte ihr alles. Aus irgendeinem Grund kam es ihr ganz einleuchtend vor, dass er ein guter Freund von Lisbeth war. Er war ein Großmaul. Lisbeth hatte Großmäuler schon immer gemocht, so wie sie aufgeblasene Armleuchter schon immer gehasst hatte. Das war ein haarfeiner Unterschied, aber Paolo Roberto fiel unter die erstgenannte Kategorie.
Er hatte ihr erklärt, warum er plötzlich wie aus dem Nichts in Nykvarn aufgetaucht war. Sie war erstaunt darüber, dass er den schwarzen Lieferwagen so hartnäckig verfolgt hatte, und schockiert, als sie zu hören bekam, dass die Polizei rund um das Lagergebäude mehrere Gräber entdeckt hatte.
»Danke«, sagte sie. »Du hast mir das Leben gerettet.«
Er schüttelte den Kopf und schwieg eine Weile.
»Ich hab versucht, es
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