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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Geschenke immer annehmen, ganz gleich, warum man sie bekommen hat. Deshalb musst du mir etwas versprechen – tust du das? Alors: Wenn ich dir etwas schenke, dann musst du es ebenfalls annehmen, selbst wenn es dir nicht gefällt. Versprich es mir, Luzie.«
    Seine Augen leuchteten so intensiv, dass ich blinzeln musste.
    »Mal sehen«, wisperte ich bockig.
    »Nein, nicht mal sehen. Versprich es. Bitte.«
    Das Sirren und Fiepen wurde lauter. Leander zuckte zurück und sprang mit einem eleganten Satz auf meinen Schreibtisch. Ich presste die Lider fest zusammen, bis Funken vor meinen geschlossenen Augen tanzten, und verhakte unter der Bettdecke die Finger ineinander. Das Schrillen wurde so intensiv, dass mein rechtes Ohr zu pochen begann. Dann wurde es hell im Zimmer. So hell, dass ich Leanders Familie durch meine Lider hindurch wahrnehmen konnte: Vier vibrierende Lichtkugeln schwebten durchs Fenster, eine graue, zwei gelbe und eine rote. Ich bemühte mich, ruhig und gleichmäßig zu atmen, doch am liebsten hätte ich um Hilfe geschrien.
    Nun erschallte urplötzlich ein unerträglich greller Melodiewirrwarr und mir schossen vor Schmerz die Tränen in die Augen. Nicht weinen, Luzie, sagte ich mir, nicht weinen, sonst wissen sie, dass ich sie höre, und dann – taten Körperwächter Menschen etwas an? Nein, das war unlogisch. Ich musste keine Angst haben. Der Einzige, der hier Angst haben musste, war Leander. Und der hatte es ja auch verdient.
    Ich entspannte mich ein wenig, doch die durcheinanderklingenden, viel zu hohen Melodien taten mir immer noch weh. Sie vereinten sich, trennten sich wieder, fanden sich neu zusammen, wurden lauter, noch lauter … Ich stöhnte auf und drehte mich auf die andere Seite. Augenblicklich wurde es still. Erleichtert atmete ich aus.
    Eine neue Melodie erhob sich, anklagend und ernst. Sie klang wie eine Frage.
    »Sie träumt nur. Das ist normal.« Es war eine Wohltat, Leanders Stimme zu hören. Er hatte kaum zu Ende gesprochen, da begann die chaotische Sinfonie von Neuem. Ich zwang mich, still liegen zu bleiben, doch als die Klangfolgen immer höher und schräger schrillten, keuchte ich ein weiteres Mal auf.
    »Ich rede nur in Menschensprache mit euch. Ihr habt mir einen Körper verpasst, also rede ich auch mit ihm.« Merci, Leander. »Und was meine Klientin betrifft: Sie träumt nur.«
    »Ich habe es ja gesagt, Nathan, er ist verloren … Aus ihm wird nichts mehr. Eine Schande für die Familie. Er spricht ihre Sprache – und zwingt uns, ihm darin zu antworten!« Das musste Leanders Mutter sein. Sie hatte keine Menschenstimme, es war eher ein gläsernes Flüstern, aber immer noch besser als dieser Wirrwarr von vorhin. Nun redeten sie alle durcheinander, und irgendwie hatte ich das Gefühl, als hätten sie ihr Leben lang darauf gewartet, menschisch sprechen zu können.
    »Ruhe jetzt!« Das war Leanders Vater. Ihn hatte ich schon einmal gehört, ganz am Anfang, als ich im Schulhof auf den Farbeimer gefallen war und Leander von ihm verflucht wurde. Damals wusste ich aber noch nichts von Körperwächtern und Sky Patrol und hatte es auf meine Verletzungen geschoben. »Nun rede ich! Und niemand sonst! Du hast also tatsächlich einen Menschenkörper.«
    »Jepp«, sagte Leander trocken.
    »Igitt!«, rief seine Mutter angewidert aus. »Wie entwürdigend!«
    »Darf ich ihn mal anfassen?«, piepste es aus der Ecke neben dem Schreibtisch.
    »Um Himmels willen, nein! Finger weg! Am Ende bekommst du auch einen, möglicherweise ist er ansteckend! Clothilde, ich warne dich.«
    Eines war mal klar – die Cherubims benutzten gerne unsere Sprache. Und sie beherrschten sie perfekt, wenn man davon absah, dass sie sich allesamt anhörten, als wären sie aus Glas und innen hohl.
    »Bitte, Mutter, nur kurz!«, bettelte Clothilde. Ich konnte meine Augen nicht mehr geschlossen halten. Ich musste sie mir anschauen. Ganz langsam, wie in jener Nacht, als Leanders Vater im Zimmer gesessen war und sich umgeschaut hatte, blinzelte ich kurz, während ich mich erneut herumwarf und die Decke dabei über mein Gesicht schlug. Nun hatte ich ein wunderbares Guckloch und meine Augen lagen im Schatten. Leanders Papa sah immer noch aus wie ein graugläserner Kennedy. Seine Mutter schillerte in Rubinrot und erinnerte mich an die Stars der alten Schnulzen aus den Fünfzigerjahren, die Mama so gerne schaute. Ihr Busen ragte steil nach oben, als wäre er aus Beton, und ihren wadenlangen Rock hielt sie mit einem glänzenden Lackgürtel

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