Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
Taschentuch alte Schnulzen anschaute.
    »Jetzt beginnt die harte Zeit, Luzie«, sagte sie und wimmerte kurz auf, als eine blonde Frau mit knallroten Lippen ohnmächtig in die Arme eines schnauzbärtigen Mannes sank.
    »Ja, aber die geht auch wieder vorbei«, versuchte ich sie aufzuheitern, doch Mama war nicht zu trösten. Sie liebte den Dezember, aber sie verabscheute Januar und Februar. In diesen Monaten hatte Papa immer besonders viel Arbeit, fast so viel wie im November. Und das zog automatisch nach sich, dass Mama und Papa häufig miteinander stritten, weil er, ob er wollte oder nicht, im Keller ihre Hilfe brauchte und sie die Toten gerne nach ihrem ganz persönlichen Geschmack herrichtete. Mit viel zu viel Rosa.
    Ich verkroch mich in die Küche, schaltete das Radio an und blieb dort sitzen, bis ich müde wurde. Leander sagte immer noch nichts, als ich ins Zimmer zurückkehrte, mich ins Bett legte und das Licht löschte. Ich konnte im Dunklen hören, wie er sich durch die Haare und übers Gesicht fuhr, was er immer tat, wenn er angestrengt nachdachte. Ab und zu atmete er tief ein und aus und ich wartete darauf, dass er anfangen würde zu reden. Ob auf Deutsch oder Französisch, war mir ziemlich egal, aber er sollte endlich mal seinen Mund aufmachen. Er quasselte schließlich auch sonst ohne Unterlass. Doch Leander schwieg und schwieg und schwieg. Es dauerte lange, bis ich einschlief und zu träumen begann.
    »Luzie! Hey, Luzie, aufwachen, schnell! Bitte wach auf!«
    Nein, ich wollte nicht aufwachen. Dafür war mein Traum zu schön. Seppo hatte Silvana gerade gesagt, dass sie ihn endlich in Ruhe lassen solle, und dann hatte er sie von der Tanzfläche geschoben und stattdessen mich zu sich gewunken, und ich überlegte, ob ich zu ihm gehen oder ihm erst einmal ans Schienbein treten sollte – aber jetzt kam er von allein zu mir und beugte sich vor und …
    »Luzie! Es ist wichtig, wach auf, bitte. Ich bitte dich.«
    »Hmpf. Will schlafen …«
    »NEIN!« Leander wickelte mich grob aus meinem Bettenkokon und ich begann augenblicklich zu schlottern. Das Fenster stand offen. Schneeflocken wirbelten ins Zimmer und schmolzen auf den Bodendielen.
    »Was ist denn?«, fragte ich gähnend und versuchte, meine Bettdecke aus seinen Händen zu ziehen. Doch Leander gab nicht nach.
    »Du bekommst sie gleich wieder. Hör mir erst zu. Sie sind in wenigen Sekunden hier. Ich habe sie gehört, sie sind auf dem Weg zu mir.«
    »Wer – sie?« Ich war plötzlich hellwach. In meinem Bauch machte sich ein unangenehmes, flatterndes Gefühl breit. Ich hatte Leander noch nie so außer sich erlebt. Er spielte nicht. Seine Panik war echt.
    »Meine Truppe – meine Familie. Sie kommen! Sie haben irgendetwas beschlossen. Ich kann sie hören.«
    Ich spitzte meine Ohren. Zuerst nahm ich nur den sanften Wind und das ferne Rauschen der Schnellstraßen wahr, doch dann mischte sich ein feines, helles Sirren dazwischen. Unwillkürlich fasste ich an mein rechtes Ohr.
    »Okay, verdammte Scheiße, du hörst sie auch … oh Gott …« Leander fluchte kurz auf Französisch, dann packte er mich an den Schultern und sah mich fest an.
    »Leg dich wieder hin und tu so, als ob du schläfst, als ob alles in Ordnung ist. Du darfst nicht zeigen, dass du sie hörst oder siehst, verstanden? Hast du das verstanden?«
    Ich nickte mit klappernden Zähnen. Leanders Anspannung war ansteckend. Ich hatte plötzlich selbst Angst. Dabei waren Wächter eigentlich dazu da, einen zu beschützen. Und Leanders Vater hatte sogar schon einmal ein paar Minuten lang in meinem Zimmer gesessen.
    »Was werden sie tun?«
    »Ich hab keine Ahnung«, flüsterte Leander. »Ich trau denen alles zu. Bitte bleib ganz still, kapiert?«
    Er drehte sich um, blickte aus dem Fenster und lauschte. Ich hatte den Eindruck, dass die Schneeflocken plötzlich heller wurden – fast als würden sie von einem fernen Licht angestrahlt. Leander wandte sich wieder mir zu, drückte mich auf die Matratze zurück und wickelte die Decke um meinen Körper.
    »Noch etwas, Luzie: Ich weiß, dass die Kette nicht für mich war. Sie war für Seppo. Chérie, ich war doch dabei, als du sie gekauft hast …«
    Oh. Natürlich. Er war immer und überall dabei gewesen. Das vergaß ich zu gerne, denn ich hatte ihn ja nie gesehen. Verlegen schlug ich die Augen nieder. Ich konnte Leander nicht leiden, aber nett war meine Aktion auch nicht gewesen.
    »Mir ist das egal«, fuhr er leise fort. »Ich mag die Kette, und man soll

Weitere Kostenlose Bücher