Verdammt (German Edition)
ihn mit Jake, der niemals ein Wort wie »kontrastieren« benutzen würde. Er wüsste nicht einmal, was es bedeutet.
»Und die Brille – ist das dein Ding?«, frage ich, meine Stimme eine Mischung aus nervöser Koketterie und ungebremster Wissensgier, wobei sie allerdings leider viel mehr zu Letzterem neigt.
»Nein. Kein Ding, eher eine Notwendigkeit. Ich habe Probleme mit Licht. Ich bin – empfindlich.« Er wendet sich zu mir um.
»Oh, ich wollte dir nicht …«, setze ich an, und mir ist peinlich, dass ich es angesprochen habe.
Doch er winkt nur ab und wartet, dass ich ihm nachkomme. »Hast du die Bibliothek schon gesehen?«, fragt er.
Ich schüttele den Kopf. »Ich hab noch gar nichts gesehen – abgesehen vom Esszimmer und meinem Zimmer, aber das war’s dann auch schon«, antworte ich und betrete einen dunklen, holzgetäfelten Raum voller bequemer Sessel,
unzähliger Leselampen, mit einem großen Kamin und natürlich reihenweise Büchern.
»Liest du gern?«, erkundigt er sich, während er nach einem ledergebundenen Folianten greift und ihn durchblättert.
»Und wie«, sage ich nickend, während ich die Buchrücken überfliege. »Vor allem mag ich alte, schaurige Liebesromane. Ich weiß, das klingt schräg, aber ich hab einfach ein Faible dafür.«
»Dann wird dir das hier gefallen.« Lächelnd reicht er mir ein Buch mit goldenen Lettern auf dem Deckel, die das Wort Dracula ergeben. »Das hat mein Namensvetter geschrieben.«
»Ich hab ’s gelesen«, sage ich, woraufhin er eine Braue hochzieht, mir das Buch abnimmt und es wieder ins Regal stellt.
Wir sehen uns weiter im Haus um, besichtigen den Aufenthaltsraum und den Salon und stellen fest, dass es sogar ein kleines Hallenbad gibt. Ich kann es gar nicht erwarten, es zu benutzen, sobald mein Gepäck eintrifft. Immer wieder werfen wir uns verstohlene Blicke zu, verziehen fragend die Gesichter und zucken mit den Achseln. Alle beide stellen wir uns dieselben Fragen: Wo sind die ganzen Klassenräume und die Lehrer, ganz zu schweigen von den anderen Studenten? Wir machen einen kurzen Abstecher in die Küche, wo Bram schnurstracks auf den Herd zusteuert, den Deckel von einer gusseisernen Pfanne abnimmt und für jeden von uns ein Würstchen herausnimmt, das wir beim Weitergehen verschlingen. Schließlich stoßen wir auf den Ballsaal, den ich zuvor schon gesehen habe, obwohl er – genau wie Violet selbst – nicht einmal mehr
annähernd so alt und beschädigt aussieht wie auf den ersten Blick. Ja, obwohl noch ein paar Spuren des Feuers zu erkennen sind, sieht er eigentlich recht gut aus.
»Hier hat es angefangen.« Bram dreht den Kopf hin und her, während er den Raum auf sich wirken lässt. »Laut Prospekt ist hier ein Feuer ausgebrochen und derart außer Kontrolle geraten, dass fast das ganze Haus abgebrannt wäre. Schau mal …« Er zeigt auf die Wände und die unheimlich hohen Decken, dann auf den verrußten Steinfußboden. »Man kann die Schäden zum Teil immer noch erkennen. Seltsam.« Er schüttelt den Kopf. »Man sollte meinen, dass sie es mittlerweile wieder in Ordnung gebracht hätten.«
»Vielleicht wollen sie es in Erinnerung behalten. Oder vielleicht ist ihnen das Geld ausgegangen, und da kommen wir ins Spiel. Sobald sich dieser Dunst verzogen hat, treffen die anderen Studenten ein, sie drücken uns allen einen Werkzeuggürtel in die Hand, und wir dürfen uns an die Arbeit machen.« Ich wende mich zu Bram um, in der Hoffnung, ihn zum Lachen oder wenigstens zum Lächeln zu bringen.
Doch er steht nur mit geneigtem Kopf vor mir und sieht mich an. »Ein Jammer, dass ich meinen Rucksack in deinem Zimmer habe stehen lassen, sonst würde ich dich jetzt zeichnen.«
Ich starre ihn an und wünschte, ich könnte seine Augen sehen, damit ich weiß, wie er das gemeint hat. Er hat irgendetwas an sich, etwas so … Vertrautes – doch als er mich beim Glotzen ertappt, wende ich mich rasch ab.
»Ehrlich«, sagt er mit leiser, beruhigender Stimme. »Der Saal, dein Kleid, die Schuhe.« Er lächelt. »Es ist einfach
perfekt. Das Kleid steht dir wirklich gut. Vielleicht sollte ich kurz hochlaufen und mein Skizzenbuch holen?«
Er wendet sich im selben Moment um, als Violet den Raum betritt. Sie wirft einen einzigen Blick auf uns und wird bleich. Und zwar wirklich bleich. So bleich, als hätte sie gerade einen Geist gesehen. Doch da ist kein Geist, da sind nur wir. Und obwohl sie sich schnell wieder fängt, kann ich den Blick nicht vergessen, der kurz
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