Verdammt (German Edition)
nicht, gibt es noch jede Menge andere davon.« Sie dreht sich zur Leinwand um und macht angesichts meiner Fortschritte große Augen. »Da sind Sie ja in nur einem Tag ganz schön weit gekommen.« Sie schnalzt mit der Zunge und zieht gleichzeitig an ihrer Schürze. »Wirklich ganz schön weit«, fügt sie mit fröhlicherer Stimme hinzu. »Ach, und falls Sie sich gewundert haben sollten, die Dozenten wurden ebenfalls aufgehalten. Die gute Nachricht ist aber, dass der Dunst sich in ein oder zwei Tagen lichten müsste, und dann läuft alles wieder ganz normal.«
»Ehrlich? Violet meinte, es würde mindestens eine Woche dauern.«
Sie sieht mich nachdenklich an. »Hat sie das gemeint? Na ja, sagen wir mal, dass die Prognose auf jeden Fall günstig ist, Miss.« Etwas an ihrem Blick, an ihren Bewegungen und der Art, wie sie ihre Schürze betastet, kommt mir ganz vertraut vor. Auf einmal begreife ich, was es ist – sie wirkt und handelt wie eine wesentlich jüngere Version von Violet, und ich frage mich, ob sie irgendwie verwandt sind. »Ich bin Camellia«, beantwortet sie meine
unausgesprochene Frage und geht auf den Kleiderschrank zu. »Violet ist meine Mutter.« Sie fährt mit der Hand über die Kleiderreihe, sucht zwei heraus und dreht sich zu mir um. »Also, was sagen Sie, Miss – das grüne oder das violette?« Sie zieht eine blassblonde Augenbraue hoch, die so hell ist, dass sie praktisch mit ihrer Haut verschmilzt. »Sie sind beide schön und passen beide perfekt zu Ihrem Typ – da können Sie gar nichts falsch machen.« Sie nickt und schwenkt in jeder Hand ein herrliches Seidenkleid.
Ich sehe zwischen beiden Kleidern hin und her und finde eines so umwerfend wie das andere, beide gleichermaßen altmodisch und gleichermaßen verlockend. Kurzzeitig frage ich mich, wo mein Koffer hingekommen ist – der Koffer voller Cargohosen, Jeans und schwarzen Pullis, doch dann fange ich ihren Blick auf und schüttele den Gedanken rasch wieder ab.
Ich will diese neue Version von mir genießen, solange es geht. »Ach, was soll ’s«, sage ich. »Diesmal nehme ich das violette.«
Als ich das Esszimmer betrete, erkenne ich ihn beinahe nicht.
Nein, falsch. Denn in Wirklichkeit erkenne ich ihn durchaus – nur nicht als Bram.
Einen Sekundenbruchteil lang, als ich ihn mit zurückgekämmten Haaren und anstelle seiner gewohnten Sachen in Kleidung aus der viktorianischen Epoche vor mir habe, sieht er genauso aus wie der Mann in meinen Träumen – der Mann, der mich zu sich winkt.
Ich erstarre. Mir stockt der Atem, mein Herz bleibt stehen, und mein gesamter Körper ist wie gelähmt, doch als
er sich umdreht und mich auf seine altbekannte, lässige Weise angrinst, löse ich mich aus meiner Starre.
Er ist nicht der Mann aus meinem Traum. Er kann es nicht sein. Zum einen sitzt er hier direkt vor mir. Und zum anderen ist es vollkommen unsinnig.
»Lass mich raten, jetzt haben sie deine Klamotten auch versteckt?« Ich setze mich auf den Platz ihm gegenüber, wo mit edlem Porzellan, Kristallgläsern und so vielen Reihen von Besteck eingedeckt ist, dass ich gar nicht weiß, was ich damit anfangen soll. Ich lasse den Blick über ihn wandern, mustere das weiße Rüschenhemd, die blaue Weste und natürlich die Brille, die auf sonderbare und doch unerwartete Weise wirklich zu seiner Kleidung zu passen scheint.
»Nein.« Er grinst und nimmt sich so viele Würstchen, dass ich nur hoffen kann, dass für mich auch noch welche übrig bleiben. »Ich habe die Sachen im Schrank gefunden und mir gedacht, ich verkleide mich ebenfalls, damit ich zu dir passe – du weißt schon, damit du dich nicht so einsam fühlst. Wie findest du es?«
Ich sehe zu ihm hinüber und gestatte mir einen kurzen Blick, der bereits genügt, um meinen Magen in Aufruhr zu bringen. Dann schnappe ich mir die restlichen Würstchen, nehme Messer und Gabel und schlage zu. »Du siehst – gut aus«, brumme ich zwischen einzelnen Bissen. »Schick, elegant« – und sexy und heiß und absolut unwiderstehlich – »und zusammen mit der Brille sogar ein bisschen trendy«, stoße ich hervor.
Er lacht, tupft sich die Lippen mit einem Zipfel seiner Serviette ab und sagt: »Und du, schöne Maid, siehst bezaubernd aus. Dieses Violett steht dir wunderbar.«
Ich presse die Lippen zusammen, starre auf meinen Teller und erinnere mich an meinen Schwur, mich von seinen Komplimenten nicht allzu sehr in Aufregung versetzen zu lassen.
»Du bist also Würstchen-Fan?« Er sieht mich
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