Verdammt (German Edition)
hinauflangen, könnten ihre Fingerspitzen mit dem Boden von Oben Kuckuck spielen.
Da! Ein Anderer! Auf dem Weg zum Unterschlupf, seinem Heim in den Bäumen, während seine Sonne untergeht. Sein süßer Duft tropft durch die Risse in ihrem Kokon. Zermürbende Angst.
Sie, die Anderen, sind hochgewachsen und gelenklos. Ihre Haut, notdürftig bedeckt von den Bälgen ihrer Jagdbeute, hat die dunkle Farbe feuchter Erde. Sie passt zu ihnen, den Anderen. Auch sie ist dunkelhäutig. Hat nichts von der strahlenden Sternenhelle der Unterirdischen, deren riesige Pupillen Licht aus dem Nichts saugen.
Sie ist einzigartig, weiterentwickelt, tapfer.
Ihre Verschiedenheit die Saat des Missbrauchs.
Sie fühlt, sieht, hört, riecht, schmeckt, will … anders.
Allein in einer Grube von Vorfahren, die seit jeher Unten aufgewachsen sind. Die seit jeher Angst vor dem Licht und vor den Anderen Oben in sich aufgesogen haben, stark und tödlich erschaffen, um dadurch zu überleben.
Sechzehn Jahre lang der Furcht und dem Hass ausgesetzt, gewarnt vor den mordenden Anderen, die Oben ihr Unwesen treiben und nur darauf warten, die Knochen der Unterirdischen auszusaugen, die sich haben fangen lassen. Ihre Hautsäcke tropfend und zuckend übereinander auf Haufen geworfen, mit offenen Augen, damit sie zusehen können, wie die Fliegen eigene Familien ausbrüten.
Dennoch wird sie nie die Ehrfurcht verlieren vor der Offenheit, die Oben herrscht.
Sitzend, schauend, wartend, träumt sie von einer Flucht aus dem Unten, vor ihren Folterern, die wie Maden an ihrer Seele nagen. Ein neues Leben, ein neuer Name, eine neue Familie, ein neues Zuhause. Die Wärme der Sonne spüren und die ruhigen Strahlen des Mondes trinken.
Lieben und frei sein.
Lieben und willkommen sein.
Lieben und gerächt werden.
Zwei
»Hey, Mädchen.« Eine faulige Stimme schwappte ihr entgegen. Zehn spinnenartige Finger, nass von ätzender Spucke, fassten nach oben, zupften an ihrem weiten Kleid und glitten ihre nackten Beine hinauf und hinab. »Komm hier runter zu uns. Wir haben ein paar nette Spielsachen für dich.« Derjenige, der gesprochen hatte, leckte die Klinge seines Messers ab, während andere ihre Gürtel schnalzen ließen und mit den geballten Fäusten drohten.
Männerlachen drang in ihre Ohren und brachte ihren Magen in Aufruhr. Galle wallte auf, drohte, an ihren Zähnen vorbeizurauschen und ihren Körper mit Erbrochenem zu bedecken. Sie wiegte sich vor und zurück und sang stumme Beschwörungen für ihren schwindenden Schutz.
Zehn Finger noch immer auf Tuchfühlung.
Mir wird nichts geschehen.
Der Magen immer mehr in Aufruhr.
Mir wird nichts geschehen.
Gestalten noch immer bedrohlich … Mir wird nichts geschehen … höhnisch … Mir wird nichts geschehen … wartend.
Sie wurde dafür »bestraft«, dass sie anders war. Es war »Spaß«.
Mir wird nichts geschehen.
Oben.
Oben.
Oben.
»Willst du nicht sehen, was wir für dich haben?«
Lecken. Schnalzen. Schlagen.
Nein, geht weg, geht weg. »Mir geht’s gut hier oben.«
»Ach, komm schon. Das macht Spaß.«
Lecken. Schnalzen. Schlagen.
Hilfe! Geht weg! Helft mir! »Nein danke. Mir geht’s gut.«
»Booh, Jungs! Was ist sie doch süß, so tugendhaft.«
Noch mehr Spinnen bissen sie in die Beine, erfüllten sie mit Gift. Stellten ihren Magen auf die Probe.
»Rheena!« Ihre leibliche Mutter unterbrach die Hölle des Mädchens. »Ach, hallo Jungs. Müsst ihr euch nicht fertig machen?« Rheena öffnete die zugekniffenen Augen, ihr Magen entspannte sich. »Na dann, hört auf zu gaffen und trollt euch.« Sie riefen dem Mädchen spöttische Verwünschungen zu und waren weg.
Fürs Erste.
»Puh. Du musst lernen, sie nicht mehr von ihren Pflichten abzulenken. Hure .«
Mit einem Arm riss sie Rheena von ihrem Traumsitz herab und ließ sie in den Matsch darunter stürzen. »Es ist schon fast Zeit für die Jagd. Wir müssen sie zum Aufbruch vorbereiten. Nach Oben .« Sie reckte eine leuchtende Schulter in Richtung Himmel und zuckte vor Furcht und Ekel zusammen; das letzte Wort ein Flüstern. Ihre himmelblauen Augen flackerten, sich des Tumults um sie herum wohl bewusst. Die Jäger sammelten ihre Tötungswerkzeuge. Rheena konnte nicht in die Dunkelheit schauen, die sie umgab. »Komm, Mädchen. Wisch dich
ab, du bist immer so schmutzig. Ich werde nie begreifen, warum du da droben an der Sonne hockst und riskierst, von einem dieser Anderen gesehen zu werden.« Erneut ein Flüstern. Als würde das
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