Verdammt (German Edition)
Titanic getrennt wurdest, als jeder auf seiner eigenen Eisscholle davontrieb?«
»Geschichte ist nicht deine Stärke, oder, mon chaton?«
»Ich improvisiere nur. Also, wer ist er?«
»Es gibt keinen Er. Ich möchte einfach für Menschen, die ich lange nicht gesehen habe, hübsch aussehen.«
»Aha.«
Ich schaute in den Spiegel – ja, im Gegensatz zu Vampiren aus Hollywood kann ich mein Spiegelbild sehen. Neben Marguerites zerbrechlicher Porzellanperfektion komme ich mir immer groß und tapsig vor. Aber wenn man uns zusammen sieht, sticht der Unterschied gar nicht so ins Auge. Ich bin nur ein paar Zentimeter größer und dünn genug, um ihre Designer-Shirts und Lederjacken zu mopsen. Allerdings würde uns niemand für Schwestern halten. Dafür garantieren mein goldbraunes Haar, die grünen Augen und die leicht gebräunte Haut.
Ich griff nach ihrem Schminktäschchen. Sie riss es mir wieder aus den Händen und reichte mir ein Lipgloss.
»Wenn du siebzehn bist«, sagte sie.
»Vielleicht werde ich nie siebzehn.«
»Dann brauchst du auch kein Make-up, oder?«
Ich seufzte. Marguerite kann manchmal unfassbar altmodisch sein. Das sind die Nachteile, wenn man eine
Erzieherin hat, die im 19. Jahrhundert aufgewachsen ist. Aber in diesem Punkt macht es mir eigentlich nichts aus. Ich bin Sportlerin, keine Cheerleaderin. Make-up nervt. Meistens jedenfalls. Bei Dates mache ich eine Ausnahme. Nicht dass es viele davon gegeben hätte, seit ich verwandelt bin. Wenn mich ein Typ auf den Hals küsst, spürt er womöglich, dass ich keinen Puls habe. Marguerite sagt, die Männer würden es nicht merken, aber ich bin noch nicht bereit, dieses Risiko einzugehen.
Ich ging ins Schlafzimmer, schnappte mir die Schlüssel und ließ sie klirren. »Vergiss nicht, dass ich jetzt meinen Führerschein habe. Und beeil dich lieber, sonst fahre ich ohne dich nach New York.«
Sie spähte nicht aus dem Badezimmer heraus. Hielt mich auch nicht auf, als ich hinausging. Sie rief mich nicht einmal auf dem Handy an, als ich unseren kleinen Mietwagen vom Motelparkplatz fuhr. Sie wusste, dass ich nicht weit wegfahren würde. An manchen Tagen mag ich es zu wissen, dass sie mir vertraut. Und dann gibt es wieder andere, an denen ich wirklich wünschte, ich wäre rebellischer. Ein bisschen weniger berechenbar.
Wahrscheinlich wusste sie sogar, wohin ich wollte. Kurz bevor wir zum Übernachten Halt gemacht hatten, waren wir an einem Café mit Bäckerei vorbeigekommen, und sie hatte mir versprochen, dass ich am Morgen dorthin fahren dürfe, um mir meinen Morgenkaffe zu holen. Vampire brauchen kein Essen. Aber wir können weiterhin essen und trinken, was uns dabei hilft, uns anzupassen. Die meisten, so wie Marguerite, vertragen Essen allerdings nicht besonders gut. Bei mir ist das anders. Das ist eine der Modifikationen, die offenbar funktioniert haben.
Ich besorgte mir einen XL-Kaffee mit Haselnuss-Vanille-Aroma und dazu eine Zimtschnecke. Dann fuhr ich zurück, drehte die Musik laut auf, trat das Gaspedal durch und raste die leere Vermont Road entlang. Na ja, fast. Ich hatte die Musik mittellaut an und fuhr etwa zehn Stundenkilometer schneller als erlaubt. Oder vielmehr fünf Meilen schneller als erlaubt. Ich bin Amerikanerin, aber Marguerite ist Frankokanadierin, und wir haben den größten Teil der letzten zehn Jahre in Montreal verbracht, also bin ich an das metrische System gewöhnt.
Meilen oder Kilometer, der Punkt war jedenfalls, dass ich nicht besonders schnell fuhr und Kaffee und Zimtschnecke unberührt neben mir liegen ließ. Ja, ich kann mich wie ein neunmalkluger Teenager aufführen, aber meistens halte ich mich doch an die Regeln. Das ist meine Erziehung, sagt Marguerite. Meine sogenannten Eltern lobten mich nur, wenn ich das Vorzeigekind gab und langweilig brav war. Dass ich jetzt ein Vampir bin, macht mich noch nicht zur wilden Rebellin. Leider.
Aber ich bin auch keine völlige Memme. Als nämlich ein Pickup hinter mir herangeröhrt kam, habe ich nicht die Lehren meines Fahrlehrers befolgt und bin rechts rangefahren, um ihn vorbeiziehen zu lassen, sondern ich habe beschleunigt. Er blieb an meiner Stoßstange kleben und kam mir so nahe, dass ich im Rückspiegel nur noch seinen Kühlergrill sah.
Da erst wurde mir bewusst, wie leer die Straße war, die sich durch die Hügel wand, mit dicht stehenden Bäumen auf beiden Seiten und einem steilen Abhang zur Rechten. Seit ich die Stadt hinter mir gelassen hatte, hatte ich kein anderes Auto
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