Verdammt, wo ist der Braeutigam
noch keine EU-Norm für Häppchen? Falls diese Zeilen ein EU-Beamter liest: Eine Mindestgröße von fünf mal fünf Zentimeter wäre angemessen.
Schreckliche Erinnerungen, die fast schon auf ein traumatisches Erlebnis schließen lassen, hat Andreas, mein Freund aus Kindergartentagen. Er erlebte eine Hochzeit, die einem Survival Camp glich. Am Morgen der Vermählung reiste Andreas vier Autostunden quer durch Deutschland, nach der Trauung gab es Sekt, dann wurde er in einen Bus verfrachtet und fuhr mit Brautpaar und den anderen Gästen eineinhalb weitere Stunden in die Berge.
»Landschaftlich war es herrlich, ein Idyll, aber es gab nichts zu essen.«
»Wie, es gab nichts zu essen? Das kann doch nicht sein«, wunderte ich mich, als er mir die Geschichte das erste Mal erzählte. (Er erzählt sie oft – ich nehme an, um diese unangenehme Erfahrung zu verarbeiten.)
»Doch, das war erst für den Abend geplant. Gegen drei Uhr nachmittags war ich kurz davor, mich in den Wald zu schlagen, um ein Tier zu erlegen.«
Das Schwierige für Brautpaare ist es, bei ihrer Hochzeit die unterschiedlichen Ess- und Lebensgewohnheiten ihrer Gäste unter einen Hut zu bringen. Während es die einen gewohnt sind, dass ein reichhaltiges Frühstück bis zum Abend reicht, muss bei anderen spätestens mittags um halb eins ein Essen auf dem Tisch stehen.
Andreas hatte sich auf der Hochzeit mit ein paar Hungrigen solidarisiert und war auf Nahrungssuche ins Tal gelaufen.
»Nach vier Stunden waren wir wieder zurück, da begannen gerade alle, sich zu setzen.«
»War das Abendessen dann wenigstens gut?«
»Ich hatte nicht viel davon. Ich hatte mich ja schon im Tal sattgegessen.«
Wenn das mit den Häppchen so weitergeht, wird es demnächst hässliche Schlagzeilen in den Medien geben: »Brautpaar lässt Gäste hungern« oder »Hochzeitsgäste kollabieren nach dem Jawort«. Das ist wirklich ein brisantes Thema. Günter Wallraff sollte sich der Sache annehmen und undercover recherchieren. Die Erlebnisse von Andreas zeigen: Die Dokumentation wäre erschütternd.
Der Rat an Brautpaare kann daher nur lauten: Verlasst euch nicht auf Häppchen. Spätestens vier Stunden nach Festbeginn ist die Zeit für etwas anderes gekommen: eine warme Mahlzeit.
Der Rat für die Gäste lautet: Nehmt bei Hochzeiten immer ein Pausenbrot mit.
Der Hochzeitssekt
WENN DER SCHAMPUS IN STRÖMEN FLIESST
»Meine Trauzeugin und ich stiegen in die Limousine, die uns zur Kirche fuhr, und wir genossen das erste Glas Sekt«, erinnert sich die frischvermählte Melanie in einem Hochzeitsmagazin an den »schönsten Tag ihres Lebens«. Ihre Gäste bekamen ihr erstes Glas Sekt nach dem Jawort. Zum Essen gab es Wein und danach noch manches andere.
Alkohol gehört in unserem Kulturkreis zum Feiern dazu. Für die meisten ist es eine wenig attraktive Vorstellung, zu einem Fest zu gehen, auf dem weder Bier noch Wein gereicht werden. »Oh, nee, was für Langweiler«, heißt es dann. Kein Wunder, dass bei Trauungen der Alkohol in Litern fließt – wer will schon eine »langweilige« Hochzeit feiern?
Vor Jahren war ich auf einer Hochzeit eingeladen, wo es nur darum zu gehen schien, die Gäste möglichst schnell abzufüllen. Das ist in meinem Fall leider gelungen. Sobald ich einen Schluck Wein getrunken hatte, kam ein hübscher Kellner und schenkte zehn Schlucke nach. Es war ebenso unmöglich, das Glas auszutrinken, wie den Überblick über den eigenen Alkoholkonsum zu behalten. Als ich schließlich den Heimweg antrat, hinterließ ich ein halbgefülltes Glas – es ging nicht anders. Es dauerte dann sehr lange, bis ich meinen Schwips zu Hause ausschlafen konnte. Ich war leicht orientierungslos in die falsche U-Bahn eingestiegen und auf einem dunklen Abstellgleis gelandet.
Das Komische ist, dass, obwohl viele zu vielen Anlässen gerne viel trinken, es wenig angesehen ist, wenn jemand das Problem hat, gerne auch ohne Anlass viel zu trinken. Offen geredet wird darüber nicht, was sich rächt, sobald eine Hochzeit ansteht. Auf einmal haben alle Muffensausen, dass Onkel Herbert zu tief ins Glas gucken könnte. Den Sektempfang gibt es natürlich trotzdem, was in so einem Fall nicht gerade klug ist, und Onkel Herbert mitten drin, umringt von mindestens zwei nervösen Familienmitgliedern, die versuchen, ihn von den Kellnern fernzuhalten, die ständig mit Tabletts voller frisch gefüllter Sektgläser vorbeikommen. Dieses Vorhaben wird ihnen aller Voraussicht nach nicht gelingen, sodass wenige
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