Verdammt, wo ist der Braeutigam
Hochzeitsgästen gefürchtet sind gereimte Reden. Das liegt daran, dass sie sich so sehr einprägen wie ein Ohrwurm, ein Redenohrwurm sozusagen, zum Beispiel:
»Ihr beide habt euch nun gefunden,
das lange Suchen ist vorbei.
Die Liebe hat euch fest verbunden –
im Winter wie im schönen Mai.«
Nette Hochzeitsgäste lächeln dazu und warten darauf, dass die verdammte Feier endlich beginnt. Gemeine Gäste erinnern sich an ein Zitat des französischen Schriftstellers Michel de Montaigne und tauschen sich tuschelnd aus: »Niemand ist frei davon, Dummheiten zu sagen. Das Unglück ist, sie feierlich vorzubringen.«
Ich selbst war mal auf einer Hochzeit, da gab es gar keine Rede. Das fiel mir auf dem Fest gar nicht auf. Im Rückblick fand ich es seltsam und hatte das Gefühl, dass etwas gefehlt hat. Reden auf Hochzeiten erinnern uns – da mag man noch so viele schlechte und mittelmäßige gehört haben – an den besonderen Anlass des Fests. Sie haben die Macht, uns unendlich zu rühren. Dafür braucht es gar nicht viele Worte. Das Gefühl ist viel entscheidender. Unseren Bekannten Toni, der behauptet, nichts von Hochzeiten zu halten, habe ich einmal erwischt, als er sich bei der kurzen Rede eines Brautvaters eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. Die Rede lautete: »Ich wünsche euch von ganzem Herzen, dass ihr miteinander glücklich werdet, und dass ihr auch in schwierigen Zeiten immer zueinanderfindet.«
Wer nun noch etwas gegen Hochzeitsreden vorbringen möchte, spare für das Honorar von Anke Engelke, oder er möge für immer schweigen.
Die Musik
HOCHZEITSMARSCH IN FREESTYLE
Kennen Sie diese »Ich kenne jemanden, der«-Empfehlungen? Sie sind gefährlich. Denn sie verführen uns dazu, jemanden in unser Leben zu lassen, den wir niemals zuvor gesehen haben. Bei dem Satz »Ich kenne jemanden, der Musik macht«, sollten bei allen Brautpaaren sofort sämtliche Alarmglocken klingeln.
Das tun sie jedoch nicht immer. Was daran liegen mag, dass Brautpaare ziemlich viel zu organisieren haben und die Sache mit der Musik nur eine von vielen Entscheidungen ist, die vielleicht nicht oberste Priorität haben mag. Tja, und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.
Es gibt Witze darüber, zum Beispiel den: Ein Duo spielt auf einer Hochzeit. Der eine Musiker ist taub, der andere blind. Fragt der Blinde: »Tanzen sie schon?« Antwortet der Taube: »Wieso? Haben wir schon angefangen?«
Und es gibt Erzählungen darüber, zum Beispiel die von unserem Freund Chris. Chris ist Musiker. Die Frage »Können Sie auf unserer Hochzeit spielen?« würde Chris nie verneinen. Er sagt, er sei da »schmerzfrei«.
Für ein Brautpaar, das fremde Musiker engagiert, ist es ratsam, ebenfalls über diese Eigenschaft zu verfügen. Chris war mal zusammen mit einem Vokalisten-Duo und einem Pianisten, die sich vorher erst einmal, und das zu einer kurzen Probe, getroffen hatten, auf einer Hochzeit engagiert. Sie sollten vier Stücke, darunter den Hochzeitsmarsch, spielen. Die Inszenierung sah vor, dass sich das Brautpaar vom Sektempfang davonschleicht, um wenige Minuten später wieder in der Kutsche vorzufahren. Zu diesem Oha!-Erlebnis sollten die Musiker dann spielen.
Das Brautpaar schlich sich also davon, die Gäste standen Spalier, bereit fürs Oha!, die Musiker reckten die Hälse, um ihren Einsatz nicht zu verpassen – aber die Kutsche kam nicht. Da bat der Schwiegervater die Musiker, doch etwas zu spielen, um die Wartezeit zu überbrücken.
»Den Hochzeitsmarsch?«, fragte der Pianist.
»Nein, den doch nicht. Den spielen Sie erst, wenn die Kutsche kommt. Etwas anderes. Spielen Sie!«
»Ich spiele nichts anders. Nur was vereinbart war«, sagte der Pianist und verschränkte die Arme. Er hatte die Rechnung aber ohne Chris Schmerzfrei gemacht. Chris legte, noch während der Pianist bockte und die Vokalisten darüber tuschelten, was sie nun singen könnten, fröhlich los. Das war ein netter Zug von ihm. Er spielte Geige. Er ist Jazzmusiker. Er spielte Freejazz. Er hörte nicht mehr auf. Auch nicht, als endlich die Kutsche um die Ecke kam und der Pianist den Hochzeitsmarsch begann.
»Vielen Dank. Das war sehr schön«, sagte kurz darauf der Schwiegervater und verabschiedete die vier, etwas eilig, wie Chris fand.
Manche Brautpaare sparen sich die Musiker und engagieren einen DJ oder bitten Freunde, Musik aufzulegen. Das ist eine schwierige Aufgabe, weil Hochzeitsgäste allein aufgrund des in der Regel großen Altersunterschieds keinen einheitlichen
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