Verdammt
passiert!«
Zwei
Rhea Daniels mochte keine Boote. Vielleicht lag es daran, dass sie eine Trägerin des Feuers war. Alle Moroi benutzten Magie, die mit einem der vier Elemente verbunden war – Erde, Luft, Wasser oder Feuer. Diejenigen, die im Zeichen des Wassers standen, waren meist begeisterte Schwimmer und Bootfahrer. Rhea zählte nicht zu ihnen. Von der Schaukelei wurde ihr selbst auf einem großen Boot wie diesem schlecht, und sie fürchtete ständig, über die Reling zu fallen und in ein kaltes, finsteres Grab zu sinken.
Das hielt sie indes nicht davon ab, heute Abend am Rand zu stehen, weit entfernt vom Gelächter der anderen, die noch immer den Überfall am Strand durchhechelten. Die Abgesondertheit machte ihr nichts aus, denn sie kannte die meisten ohnehin nicht. Außerdem wehte an den Seiten der Jacht der Wind am kräftigsten, und die kühle Luft half ein bisschen gegen ihre Seekrankheit. Trotzdem klammerte sie sich so fest ans Geländer, dass ihre Finger verkrampften. Mit verzerrter Miene blickte sie ihrem Ziel entgegen. Wie alle Vampire besaß sie eine hervorragende Nachtsicht und konnte die dunkle Form der Insel vor dem sternenübersäten Himmel gut ausmachen. Für ihr Gefühl näherten sie sich ihr alles andere als schnell genug.
»Tun dir nicht die Hände weh?«
Die Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Moroi besaßen auch ein gutes Gehör, doch der Neuankömmling hatte sie unvorbereitet erwischt. Als sie zu ihm hinüberblickte, sah sie einen Jungen, der sie neugierig musterte, während er die Hände in die Taschen seiner Cargohose schob. Der Wind zerzauste sein goldblondes Haar, doch er schien es gar nicht zu bemerken. Seine Haarfarbe war faszinierend. Ihre eigenen Haare wiesen einen hellen Goldton auf, aber seine waren von einem Platinblond, das bei der richtigen Beleuchtung wahrscheinlich weiß wirken würde. Auch hatte er eine königliche Art an sich wie jemand, der in Macht und Ansehen hineingeboren war, doch diese Beschreibung passte auf fast jeden auf dieser Fahrt.
»Nein«, log sie. Schweigen senkte sich herab. Rhea hasste Schweigen. Sie hatte ständig das Gefühl, Smalltalk machen zu müssen, und überlegte krampfhaft, was sie als Nächstes sagen sollte. »Warum bist du hier draußen?« Die Worte klangen barsch, und sie zuckte unwillkürlich zusammen.
Er schenkte ihr ein kleines Lächeln. Sein Mund gefiel ihr. »Soll ich wieder gehen? Ist das hier dein Privatbereich?«
»Nein, nein, natürlich nicht.« Hoffentlich sah er in der Dunkelheit nicht, wie sie errötete. »Ich dachte nur … ich meine, ich wundere mich nur, dass du nicht bei den anderen bist.«
Sie erwartete schon eine spöttische Bemerkung von ihm, doch zu ihrer Überraschung verschwand sein Lächeln. Er wandte den Blick ab und sah aufs Meer hinaus, sodass sie seine Kleidung studieren konnte. Er trug keinen Smoking
oder so, doch Hose und Pullover posaunten Reichtum und Status förmlich hinaus. Sie fühlte sich unbehaglich in ihren Jeans.
»Irgendwie habe ich die Strigoi-Storys einfach satt«, sagte er mit gepresster Stimme. »Als wäre es eine Art gruselige Diashow.«
»Ah.« Sie schaute erneut dorthin, wo das Mädchen – Ashley? – zum hundertsten Mal seine Geschichte erzählte. Rhea fing zwar nur Fetzen davon auf, aber die Schilderung schien mit jedem Mal detailreicher zu werden. In der aktuellen Version hatten die Strigoi sie tatsächlich zu Boden geworfen, und sämtliche Wächter hatten eingreifen müssen, um sie zu retten. Rhea wandte sich wieder ihrem sonderbaren Begleiter zu. »Also, ich finde das alles nicht so interessant – jedenfalls nicht so wie die anderen.«
»Nicht?« Er sah sie mit großen Augen an, als wäre es das Seltsamste auf der Welt, dass jemand eine Strigoi-Attacke nicht cool fand. Da fiel ihr auf, dass seine Augen jadegrün waren, was sie ebenso faszinierend fand wie seine Haarfarbe. Der Grünton war schön und selten, es gab ihn nur in ein paar der königlichen Familien. Die Dashkovs zählten dazu, aber sie wusste nicht mehr, wer noch.
»Natürlich nicht«, spöttelte sie, wobei sie hoffte, dass nicht allzu sehr aufgefallen war, wie eingehend sie ihn betrachtet hatte. »Sie wären nicht so begeistert, wenn wirklich jemand verletzt worden wäre. O Gott, erinnern sie sich denn nicht an den Überfall Anfang des Jahres in San José? Als all diese Leute umgekommen sind?«
Der Junge erstarrte, und auf einmal bereute sie ihre Worte. Hatte er eines der Opfer gekannt? Sie kam sich dumm und
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