Verdammt
da sie alle gerade erst ihren Schulabschluss gemacht hatten, war die Verlobung vielleicht noch ganz frisch.
Ja, jetzt, da er an die Wartezeit am Strand zurückdachte, wurde Eric erst bewusst, dass Stephen den anderen Witze erzählt und den Alleinunterhalter gegeben hatte. Rhea war nicht in seiner Nähe gewesen. Oder doch? Vielleicht hatte er sie ja nur nicht gesehen – was ihm aber eigentlich unmöglich erschien. Wie konnte irgendjemand sie
übersehen? Selbst jetzt, angesichts der Verlockungen der bevorstehenden Partytage, war Erics Kopf voller Gedanken an Rhea. Das weiche goldblonde Haar, das ihm so viel lebendiger erschien als sein eigenes, fast wie der verbotene Sonnenschein, nach dem er sich so sehnte. Die vereinzelten Sommersprossen auf ihrer bleichen Haut – eine Seltenheit bei den Moroi. Und dann ihre Augen … ihre Augen mit dem tiefen Haselnussbraun und den grün-goldenen Flecken. Es hatte etwas unendlich Weises und Freundliches in diesen Augen gelegen, vor allem als sie über das Massaker gesprochen hatte. Obwohl sie niemanden der Opfer gekannt hatte, war es ihr doch nahegegangen.
»Endlich«, seufzte Emma, als die Wächter sie vom Schiff auf die Insel geleiteten. »Ich sterbe gleich vor Neugier darauf, was für Zimmer wir wohl bekommen. Miranda war schon einmal hier und sagt, sie seien riesig.«
Das waren sie tatsächlich, doch Eric verbrachte nicht viel Zeit in seinem. Moroi-Diener – selbstverständlich nicht vom königlichem Geblüt – brachten das Gepäck der Gäste hinauf und sorgten dafür, dass alle wussten, wo sie untergebracht waren. Denn, auch wenn es noch so groß war, besaß das Haus natürlich keine dreißig Gästezimmer, daher mussten sich manche ein Zimmer teilen. Eric zählte zu den Glücklichen, die ihr Zimmer allein bewohnen durften, was ihn nicht überraschte. Bei dem Status und der Macht seines Vaters wollten sich die meisten Königlichen gut mit ihm stellen. Jareds Familie machte da keine Ausnahme.
Nachdem sie rasch ihre Zimmer bezogen hatten, strömten alle in den hinteren Teil des Hauses, wo die Zeklos-Diener fleißig gearbeitet hatten. In einem abgetrennten Bereich, der gefliest und von schützenden Bäumen umstanden war,
hatten sie hohe Fackeln in den Boden gerammt, die nun das Dunkel mit gespenstisch flackerndem Licht erhellten. Der Duft von gebratenem Fleisch und anderen Delikatessen schwängerte die Luft. Inmitten von alldem befand sich ein künstlicher Teich, dessen tiefblaues Wasser von innen durch geschickt verteilte Lampen beleuchtet wurde. Das gesamte Becken wirkte wie aus einer anderen Welt.
Jareds Vater, ein hagerer Mann mit schrägen, schwarzen Augenbrauen und einem gewichsten Schnurrbart, hielt eine kurze Rede, in der er ihnen zum Highschool-Abschluss gratulierte und ihnen Glück auf allen Wegen wünschte, die sie beschreiten mochten. Kaum war er fertig, ging es los mit den Feierlichkeiten. Musik dröhnte aus unsichtbaren Lautsprechern, und jeder Gedanke an zukünftige Pflichten und gewichtige Pläne war schnell vergessen.
Eric stürzte sich ins Trinken und Tanzen und wollte auf einmal nichts mehr, als eine Zeit lang alles vergessen. Er wollte nicht mehr an seine Mutter oder an die schreckliche, albtraumhafte Fratze dort unten am Strand denken. Er wollte nicht an die ihm aufgebürdete Hinterlassenschaft denken, der Erbe einer vom Aussterben bedrohten königlichen Linie zu sein. Er wollte nicht an die Pläne seines Vaters für ihn denken. Und vor allem wollte Eric keinesfalls an das ernsthafte Mädchen denken, das er auf dem Boot kennengelernt hatte. Manchmal fand er solche Partys schal, aber manchmal … nun ja, in den schwersten Phasen seines Lebens war hemmungsloses Feiern eine willkommene Ablenkung.
»So ausgelassen warst du schon lange nicht mehr«, schrie Emma, um sich bei der lauten Musik verständlich zu machen.
Eric grinste und zog sie beim Tanzen mit einem Arm an sich. In der anderen Hand hielt er gefährlich schwankend einen Drink, der immer wieder überzuschwappen drohte. Doch da es sein dritter war, machte es wahrscheinlich auch nichts, wenn etwas davon verloren ging.
»Du findest, ich bin sonst nicht ausgelassen?«, witzelte er.
Emma schüttelte den Kopf. »Doch, schon, aber in letzter Zeit warst du so ernst. Als hättest du Angst vor … Ich weiß nicht, was. Angst vor der Zukunft.« Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Drink und runzelte anmutig die Stirn. »Stimmt das?«
Für Emmas Verhältnisse war das verblüffend
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