Verflixte Hühnersuppe (German Edition)
mehr lebend wieder sehen! Also?“
„Mich könnt ihr mitnehmen!“, rufe ich zornig. „Aber der Schulleiter und Yannik bleiben hier! Sie haben nicht das Geringste mit dem Zeichen zu tun!“
„Ach nein?“ Der Wolf verzieht seine Augenbrauen, was eine warnende Stimme, es nicht zu übertreiben, in mir auslöst. „Hättest du dich nicht gewehrt und deine Freunde mitgebracht, wären wir auch nur mit dir allein in deine Heimatwelt abgereist. Aber du musstest ja alles verspielen!“
„Ich wehre mich, damit der Kristall nicht in die falschen Hände gerät!“
„Und du willst entscheiden, welche Hände die richtigen sind?“ Der Wolf lacht abfällig und ich komme mir dabei wie ein kleines Kind vor – was er auch eindeutig bezweckt hat. „Das Zeichen hat nichts in den Händen eines Kindes zu suchen! Du wirst verstehen, dass ich dir den Kristall abnehmen muss!“
„Dann versuch es doch, aber pass auf deine Haut auf!“, keife ich zurück. Natürlich versuche ich es ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen. Der Spott in seiner Stimme trifft mich nämlich mitten ins Herz – und gerade deshalb lege ich mein übermütigstes Grinsen auf, das ich im Moment zustande bringe. Wie ein bockendes Wildpferd, das die Freiheit liebt. „ Du musst dich fügen, ich habe die Macht!“
Der Wolf schnaubt, reißt Yannik die Kappe vom Kopf und wirft sie mir vor die Füße. „Leg es dort rein! Sonst hast du gleich zwei Menschenleben auf dem Gewissen!“
Da stehe ich nun, als wäre ich mitten in Pferdemist getreten.
Er gibt Lederjacke und Fledermaus ein Zeichen. Beide drücken augenblicklich ihre Messer an die Kehlen ihrer Geiseln. Anna schreit auf und schließt schnell ihre Augen. Dulack keucht und sieht mich mit einer Mischung aus Angst und Trotz an. Ich wende mich von ihm ab, sein verzweifelter Blick scheint alles in mir zu verbrennen. Ich weiß, dass ich weder Anna noch Lennon opfern will, nur um im Besitz des Kristalls zu bleiben. Dabei liegt unsere Niederlage doch auf der Hand. Alle Versuche, den Wolf zu erledigen, sind bisher gescheitert. Einerseits kann er den Kristall nicht anfassen, andererseits stehen er und seine Mitstreiter scheinbar unter seinem Schutz.
Ich sehe auf den Kristall in meinen Händen und eine unsagbare Traurigkeit übermannt mich. Ich habe keine andere Wahl, kleiner Freund , denke ich und dabei verkrampft sich mein Herz wie bei einem Abschied. Ich weiß nicht, ob du mich verstehen kannst, aber ich muss dich aufgeben, um meine Freunde zu retten. Vielleicht hat der Wolf sogar Recht: Ich kann nicht beurteilen, welche Seite dich nun wirklich verdient hat.
Als ich den Kristall in die Kappe lege, verdränge ich mit Mühe die Tränen. Wie lange habe ich darauf gewartet, dass meine Eltern auf der Erde erscheinen und mir diese Last abnehmen würden. Wie sehr habe ich gehofft, dass sich der Krieg zwischen den beiden großen Mächten auf den Sieben-Welten zum Guten wendet und ich einen winzigen Teil zum Frieden beitragen kann! Aber nichts dergleichen ist geschehen. Ich habe mich jahrelang auf der Erde versteckt, um schließlich festzustellen, dass ich der Aufgabe nicht gewachsen bin.
Ich berühre den Trigonischen Kristall ein letztes Mal und ein seltsamer Gedanke schießt mir dabei durch den Kopf: Könnte ich dem Wolf ein Herz geben, könnte er mich verstehen.
Ich halte meinen Kopf gesenkt und meine langen Haare fallen mir vors Gesicht. Niemand sollte die Schande sehen, die darin eingraviert ist.
Kapitel 15
oder
Wie ich eine einmalige Chance in den Abfluss gieße
Ich sitze auf einer feuchten Steinpritsche im Kerker von Burg Rahenfels. Meine Beine habe ich mit den Armen fest umschlungen und mein Kopf ruht auf den Knien. Die Tränen sind längst versiegt und mit einer Salzkruste auf den Wangen getrocknet. Der Schmerz in meiner Brust schwillt trotzdem immer weiter an und droht mich zu zerreißen. Verschwommen habe ich wahrgenommen, wie Dulack, Steinkaul, Anna und Yannik mit mir in die Kerkerzellen getrieben wurden. Viele Gedanken sind mir seitdem durch den Kopf gerauscht, doch eines bleibt haften wie schmieriger Schleim: Ich bin für ihr Schicksal verantwortlich! Nur ich allein! In meiner Traurigkeit lasse ich nicht einmal die Rufe der beiden Auserwählten des Kristalls zu. Sie suchen schon seit geraumer Zeit Kontakt zu mir, aber da ist eine Sperre. Sie steckt einfach mitten in meinem Kopf und denkt gar nicht daran, andere – vielleicht sogar wohlwollende – Gedanken zuzulassen. Die Worte des Wolfs wollen einfach
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