Verflixte Liebe
Mazzara durchzufragen, und als sie es betrat, entdeckte sie Alice auch gleich. Sie saß ganz hinten in der Ecke und winkte ihr zu.
Während sie an den Tischen vorbei auf Alice zuging, dachte sie, dass dieses Café mit seiner vornehmen Wartehallen-Atmosphäre gut zu ihrem seltsamen Treffen passte. Zwei Frauen, die sich nicht kannten, aber etwas zu besprechen hatten, eine kurze Begegnung, die offensichtlich geheim bleiben sollte und darum später wieder ‘vergessen’ werden musste.
„Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind!“, wurde sie von Alice begrüßt.
Christiane gab ihr die Hand und wunderte sich, wie schon am Nachmittag, dass diese junge Sizilianerin, die bisher immer nur schweigend und knicksend durch den Palazzo gehuscht war, so ausgezeichnet deutsch sprach.
„Was möchten Sie trinken?“
„Einen Espresso, bitte.“
Alice hob die Hand und gab der Bedienung Zeichen, dann sah sie Christiane an. „Es geht um Tommaso. Nein, eigentlich geht es um mich. Ich brauche Ihre Hilfe.“
Christiane runzelte die Stirn. „Sie brauchen meine Hilfe? Wem kann ich schon helfen! Ich habe bisweilen das Gefühl, dass ich hier selbst dringend Hilfe bräuchte.“ Es klang bitter, wie sie das sagte.
„Ja, natürlich, Sie brauchen auch Hilfe. Wir beide brauchen Hilfe! Und wir könnten uns gegenseitig unterstützen.“
Christiane sah sie skeptisch an. Vielleicht war dieses Treffen ja eine Falle. Irgendeine Gemeinheit, mit der man weiß der Teufel was erreichen wollte.
Alice presste die Lippen aufeinander, dann sagte sie plötzlich: „Ich bin schwanger von Tommaso.“
„Ach?“ Das war alles, was Christiane darauf antworten konnte. Sie war perplex. So ein Geständnis hatte sie nicht erwartet.
Alice senkte den Blick. „Bitte hören Sie sich meine Geschichte an. Ein wenig ist es ja auch Ihre Geschichte, denn unsere Kinder werden Halbgeschwister sein.“
Christiane verzog keine Miene. Noch bis vor kurzem hatte sie in Frieden mit ihrer Tochter in Deutschland gelebt. Es gab eine Oma, die manchmal etwas schwierig war, aber auf ihre Art doch herzlich. Das war alles. Und plötzlich waren da die Forcellis, die ihre Rolle als Großeltern beanspruchten und nun auch noch eine Halbschwester oder ein Halbbruder für Milena.
„Zuerst sollten Sie wissen, dass ich kein Hausmädchen bin“, fuhr Alice fort. „Ich habe die Hotelfachschule besucht, spreche deutsch, englisch und französisch fließend und habe bis vor zwei Jahren in Rom in einem der besten Hotels am Platz an der Rezeption gearbeitet. Doch dann lernte ich Tommaso kennen, und wir verliebten uns. Das war vor elf Monaten. Um in seiner Nähe sein zu können, kündigte ich und kam nach Sizilien zurück. Ich bin ebenfalls Sizilianerin, müssen Sie wissen, stamme aus Porto Empedocle, das liegt im Süden. Meine Eltern führen dort eine kleine Pension. Ich habe fünf Brüder, und das Leben mit ihnen und meinem strengen und sehr gläubigen Vater war nicht immer einfach. Nur der hartnäckigen Fürsprache meiner Klassenlehrerin hatte ich zu verdanken, dass ich die Hotelfachschule besuchen durfte. Als ich nach meiner Ausbildung nach Rom ging, hat mein Vater mir das Haus verboten. Er wollte mich erpressen: Entweder du bleibst bei uns, oder du siehst deine Mutter nie wieder! Ich war 23 Jahre alt. Ich habe mich entschieden zu gehen. Ich wusste ja auch nicht, dass meine Mutter schon bald sehr krank werden würde, man musste ihr ein langes Stück vom Darm entfernen.“
Christiane hörte aufmerksam zu. Was hatte Alices Mutter mit Tommaso zu tun? Aber sie verkniff sich die Frage, ließ die junge Frau weiterreden.
„Jetzt bin ich schwanger, und der Vater meines Kindes ist tot. Er kann nicht mehr zu mir stehen, und die Forell werden es freiwillig nicht tun, denn in Sizilien ist Ehebruch noch ein schlimmes Vergehen, vielleicht noch schlimmer als einen namenlosen Bastard zur Welt zu bringen.“
Christiane schnappte empört nach Luft. „Ein Kind kann man doch keinen Bastard nennen!“
„Das finden Sie, und ich finde es auch. Mein Vater ist jedoch anderer Meinung. Es ist schon ein Weltuntergang für ihn, wenn ich ein uneheliches Kind bekomme, erst recht, wenn der Vater namenlos bleibt, so als wüsste ich nicht, wer es ist. Aber wenn ich Tommaso als Vater angebe, lege ich mich mit der Familie Forell an, und so fern ich keine Beweise habe und nicht wirklich gewappnet bin, werde ich in diesem Kampf gegen einen so mächtigen Löwen gnadenlos untergehen.“
„Warum gehen Sie nicht
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