Verfuehrer und Rebell Horst Buchholz - Die Biographie
Jahrgang 33
»Ich bin in Berlin geboren, genauer gesagt, in Neukölln – ich bin also ein Urberliner.« Bei Horst Buchholz klang immer ein besonderer Stolz an, wenn er davon sprach, dass er in Neukölln geboren und dort auch aufgewachsen ist. Woher kam dieser Stolz? Buchholz war doch in Paris, New York, Rom und Los Angeles zu Hause und konnte mühelos von einer Sprache in die andere wechseln. War diese Rede vom »Urberliner« nur Getue, vielleicht ein gelegentlicher Anfall von Sentimentalität? Tatsächlich war Horst Buchholz wirklich stolz darauf, Berliner zu sein. Die Arbeiterviertel Neukölln und Prenzlauer Berg hatten ihn geprägt; dies waren die Orte seiner Kindheit, seiner Schulzeit, seiner Freundschaften und seiner Familie. Genauso stolz war er allerdings darauf, diese Viertel hinter sich gelassen zu haben. Für Fernsehaufnahmen kam er später zurück in seine Heimatbezirke und betrachtete die Häuser und Wohnungen wie lang abgelegte Kleider – es gab nur die Erinnerung, die ihn mit diesen Orten verband.
Dass Buchholz seine Herkunft aus Neukölln immer wieder betonte, mag man auch als eine Haltung deuten, mit der er seine Kindheit und Jugend wenigstens in diesem einen Punkt retten wollte. Erst sehr spät eröffnete ihm die Mutter die Wahrheit über seine Herkunft. Diese Wahrheit brachte seine Weltsicht durcheinander, sie brachte feste Überzeugungen zum Einsturz und erschütterte den jungen Mann nachhaltig. Sie stand am Ende einer Kindheit im Nationalsozialismus,die im Gegensatz zur offiziellen Ideologie das Gegenteil von Sicherheit und familiärer Geborgenheit bedeutete.
Die Mutter Maria Crescentia Hasenkamp stammte aus Freiburg im Breisgau und kam erst 1933 nach Berlin. Glücklich die Menschen, die in Freiburg zu Hause sind. Sie leben am Rande des Schwarzwalds, genießen von allen Deutschen die meisten Sonnenstunden, trinken zu den regionalen vielfältigen Speisen die wunderbarsten Weine und grüßen in guter Nachbarschaft Frankreich und die Schweiz. Ihre Häuser sehen, sind sie noch alt und gut erhalten, aus, als seien sie Ludwig Richters Illustrationen zu Johann Peter Hebels »Schatzkätzlein des Rheinischen Hausfreunds« nachgebildet. Freiburg ist eine überwiegend katholische Bischofsstadt. Studenten der Universität bringen Schwung in die badische Gemütlichkeit. Wer einmal zu viel trinkt und wem einmal die Pferde durchgehen – der geht halt beichten, tut Buße und freut sich wieder des Lebens.
Maria Hasenkamp wurde am 3. Dezember 1906 in Freiburg geboren; sie war das zweite Kind des Kaufmanns Wilhelm Hasenkamp und seiner Frau Crescentia, geborene Renner. Die Ehe war am 12. Januar 1905 geschlossen worden; Wilhelm war siebenundzwanzig, seine Frau vierunddreißig Jahre alt. Der Altersunterschied war in dieser Zeit ungewöhnlich. Das Familienbuch gibt als Berufsbezeichnung der Gattin Kolonialwarenhändlerin an. Die Eltern waren bereits gestorben, und sie wird sich genau überlegt haben, warum sie diesen Mann heiratete. Weil Crescentia katholisch war, wurden die drei Kinder katholisch getauft und katholisch erzogen. Marias Schwester Elisabeth war rund ein Jahr älter, Bruder Wilhelm Alexander rund achtzehn Monate jünger.
Am 31. Oktober 1909 starb die Mutter im Alter von achtunddreißig Jahren. Die Todesursache ist unbekannt; WitwerWilhelm war einunddreißig Jahre und Vater von drei kleinen Kindern. Vor ihm lag eine schwere Zeit. 1911 bestimmte Wilhelm, dass die Kinder von der katholischen zur evangelischen Konfession übertreten. Im Jahr darauf heiratete er mit vierunddreißig Jahren seine sieben Jahre jüngere zweite Frau Berta, geborene Kohler. Finanziell ging es der Familie gut. Auch wenn Berta Hasenkamp sich eigene Kinder gewünscht hätte, mit den drei Kindern ihres Mannes hatte sie alle Hände voll zu tun.
Maria Hasenkamp scheint kein einfaches Kind gewesen zu sein, ihr Bildungsweg verlief nicht so geradlinig, wie es sich die Eltern wünschten. Sie besuchte nach vier Jahren Grundschule eine Bürgerschule – vergleichbar etwa mit der heutigen Realschule – und ein Lyzeum. 1923 hätte sie eigentlich das Abitur machen können; stattdessen war sie für zwei Jahre in der Höheren Handelsschule und arbeitete dann als Stenotypistin in einem Hypothekenbüro. Die Eltern gaben ihr eine solide Schulausbildung und werden ihr Besseres zugetraut haben als eine Tätigkeit als Stenotypistin. Das war ein typischer Frauenberuf mit geringen Aufstiegschancen; nur in Kinoträumen angelten sich die
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