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Verführerische Unschuld

Verführerische Unschuld

Titel: Verführerische Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CHRISTINE MERRILL
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bieten könnte …“
    „Was er mir bieten könnte, weiß ich, denn ich sah ihn mit seiner Mätresse.“
    „Doch sicher nicht …?“
    „Nein, seien Sie beruhigt, nicht in flagranti.“ Esme lächelte. „Nur mitten in einem Streit. Sie warf mit Schuhen und zerbrach Glas und Fensterscheiben, aber er schien es in bester Laune und sehr geduldig hinzunehmen. Obwohl sie ihn unverschämt beschimpfte, schlug er sie nicht und züchtigte sie auch nicht für angebliche Missetaten, noch schloss er sie in ihrem Zimmer ein, um ihren Gehorsam zu erzwingen. Das jedoch ist das Leben, an das ich gewöhnt bin, und ich habe den Verdacht, dass mein Vater mir einen Gatten gesucht hat, der die gleichen Vorstellungen hegt.“ Sie spürte, wie ihr eine Träne über die Wange rann. „Er möchte nämlich mein Seelenheil auf ewig ungefährdet sehen.“
    „Und Ihre Mutter? Kann sie Ihnen denn gar nicht helfen? Oder ist sie von Ihnen gegangen?“
    „Sie ist tatsächlich von mir gegangen, denn sie lief mit einem Tanzmeister davon, als ich vierzehn war. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt noch lebt, aber wo sie auch sein mag, bestimmt ist sie jetzt glücklicher als vorher mit meinem Vater. Er ist um vieles älter als sie, und er behandelte sie nicht anders, als er mich behandelt.“ Wieder rann eine Träne über ihre Wange, und sie wischte sie unauffällig fort. „Ich weiß nicht, ob mein Leben anders wäre, wenn sie geblieben wäre, aber möglicherweise hätte ich wenigstens eine Saison mitmachen dürfen, einen Ehemann finden und so den ewig wachsamen Augen meines Vaters entkommen können, der ja der Ansicht ist, mein Charakter benötige immerwährende Korrekturen. Er sagt, ich sei veranlagt wie meine Mutter, und er werde nicht zulassen, dass ich wie sie werde, und was er mir antue, tue er zu meinem eigenen Besten und um der Familienehre willen.“ Wieder kamen ihr die Tränen, und sie schluckte schwer, um sie zu unterdrücken. „Ich schwöre, nie gab ich ihm eine Veranlassung. Ich tändele nicht und suche auch nicht die Aufmerksamkeit der Männer zu erregen. Wie sollte ich auch, da ich nie aus dem Haus komme? Und doch bestraft er mich und sagt, es sei für das, was ich tun würde, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte. Ich weiß, Sie müssen mich für sehr schlimm halten, aber ich würde ganz bestimmt lieber die Gefährtin eines Lebemannes sein, als einen Tag länger auf diese Art verbringen. Wenn ich sterbe, komme ich eben ins Höllenfeuer; wenigstens habe ich dann vorher ein paar erfreuliche Tage erlebt.“
    Esme trank einen Schluck Tee, doch ihre Hände bebten so sehr, dass das Porzellan klirrte, als sie die Tasse absetzte. „Es tut mir leid, dass ich Sie in meine Schwierigkeiten hineinziehe, das hatte ich natürlich nicht vorgesehen. Aber ich kann es nicht länger ertragen, ich kann es einfach nicht.“
    Sie senkte den Blick auf ihre Hände, die immer noch zitterten, und verschränkte sie fest in ihrem Schoß.
    Mirandas Ton war seltsam reserviert, als sie fragte: „Und was hatten Sie vor zu tun, falls oder wenn Radwell später Ih rer überdrüssig wäre? Denn das ist vorauszusehen, wenn man eine carte blanche akzeptiert.“
    „Dann hätte ich einen anderen gesucht oder mich in die Themse gestürzt. Das hatte ich mir vergangene Nacht schon überlegt. Es ist mir inzwischen alles gleich. Wenn ich nach Hause zurückkehre, werde ich solche Schläge bekommen, dass ein schnelles Ende vorzuziehen wäre.“ Wieder rannen Tränen; sie musste sich zusammennehmen, sonst würde sie nicht mehr aufhören können zu weinen. Sie wünschte sich, sie könnte ihre Gefühle unterdrücken, und verbarg ihr Gesicht in den Händen, dabei fielen die Ärmel ihres Kleides zurück und entblößten ihre Arme.
    Sie hörte, wie die Duchess scharf den Atem einsog. Rasch zog Esme die Ärmel wieder herab, doch zu spät, die blauen Flecke, die die Hände ihres Vaters auf ihrer Haut hinterlassen hatten, waren entdeckt. Beschämt ließ sie den Kopf hängen.
    „Ich holte mir ein Buch aus der Bibliothek, als ein Besucher für ihn kam. Er schickte mich zurück in mein Zimmer, und weil ich ihm nicht schnell genug ging, zerrte er mich an den Armen hinaus.“ Sie hob den Kopf und sah die Duchess an, die sehr betroffen wirkte. „Bitte, erzählen Sie es niemandem. Mein Aufzug ist auch deshalb überaus sittsam, weil ein hochgeschlossener Kragen und lange Ärmel vieles verbergen können. Ich schäme mich so sehr.“ Sie schloss die Augen, um nicht sehen zu müssen, dass

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