Verfuehrerisches Geheimnis
Datum lag nur fünf Jahre zurück, und Catherine wurde klar, dass es ihn zehn lange Jahre gekostet hatte, die Schulden seines Vaters abzutragen. Was er durchgemacht hatte, rührte an ihr Herz, zeigte ihr aber ganz klar, dass er dringend Geld benötigte.
Sie besaß zu viel Integrität, um die zwei persönlichen Briefe zu lesen, die sein Vater aus Italien geschrieben hatte. Diese Briefe, die Heiratsurkunde seiner Eltern sowie seine von der St. Giles Cathedral in Edinburgh ausgestellte Taufurkunde legte sie, von Schuldgefühlen geplagt, beiseite.
Das nächste Dokument, das sie las, war ein Vertrag zwischen Patrick und ihrem Großvater. Geordie bezahlte Hepburn dafür, dass er die Wintonschen Longhornrinder gegen Räuber und Viehdiebe bewachte. Der Vertrag war vor einem halben Jahr erneuert worden. Wenn sie Verträge schließen, muss der Earl ihm trauen.
Oder ihn fürchten.
Als Nächstes griff Catherine wieder zu einem Dokument mit königlichem Siegel. Rasch überflog sie den Wortlaut. Ihr Herzschlag stockte, ihr wurde eiskalt, als sie das Geschriebene langsam noch einmal las. Fünf vernichtende Worte sprangen sie förmlich an .Jede englische Erbin Eurer Wahl.
Cats Herz zog sich zusammen. Eine Träne tropfte auf das Pergament. Ungeduldig hob sie die Hand, um die Nässe wegzuwischen, die über ihre Wange floss. Verdammter Hepburn. Fahr zur Hölle!
Wieder las sie die Worte und sah nun, dass der Vertrag Hepburn auch die Earlwürde versprach. Catherine erfasste sofort, dass der Titel, auf den er es abgesehen hatte, jener des Earl of Winton war. Sie blickte auf. »Durch die Ehe mit mir wird Hepburn nach Geordies Tod Earl of Winton.«
Lieber Gott, er hat micht nicht begehrt. Er hat das begehrt, was ihm die Heirat einbringen würde - die Landgüter Spencer und Seton und die Earlwürde von Winton.
Wie betäubt saß sie da. »Wie konnte ich nur so verblendet sein? So vernarrt in ihn? Von dem Augenblick an, als er wusste, wer ich bin, hat Hepburn mich gelenkt und manipuliert. Vermutlich sogar schon, ehe er mir begegnete!« Rasch verknüpfte ihr Verstand die Fäden, die sein Verdammungsurteil bildeten.
Das Seton-Land liegt nah an Crichton. Im Zuge seiner Geschäfte mit Geordie muss er erfahren haben, dass mein Großvater mich zu seiner Erbin eingesetzt hat.
»Er ist nur mit einem Ziel vor Augen nach England gekommen, nämlich der Ehe mit der reichen Erbin Catherine Seton Spencer!«
Cat klammerte sich verzweifelt an ihre Wut. Sie war ihr Panzer, ihr Schutz gegen den unerträglichen Schmerz, der auf der Lauer lag und nach einer Lücke in ihrem Panzer suchte, damit er seine Fänge in ihr Herz senken und ihr den Todesstoß versetzen konnte.
Ihre Hände zitterten, als sie das belastende Dokument an sich nahm und alle anderen Papiere wieder in die Kassette tat. Dann stellte sie die Kassette zurück auf die hohe Kommode und entfernte den Fußschemel. Den Vertrag und ihren Dolch nahm sie mit in ihr Gemach und legte beides auf den Frisiertisch. Cat blickte in den Spiegel und betrachtete gleichmütig ihr Spiegelbild.
Wie sonderbar, dass ich trotz der großen inneren Wandlung äußerlich unverändert bin. Dann sah sie die Augen, die ihr Starren erwiderten. Nein, ich sehe doch anders aus. Verschwunden die schimmernde, naive Unschuld. An ihrer Stelle glitzerte die uralte Weisheit Evas.
Catherine ließ sich ein Bad bereiten. Sie schenkte sich einen Kelch Wein ein und trank ihn, im warmen, parfümierten Wasser liegend, langsam aus. Eine Stunde verging, dann öffnete sie ihren Schrank und wählte mit Absicht ihr schmeichelhaftestes Gewand, ein helles, pfirsichfarbenes Samtkleid, dessen Ärmelschlitze mit leuchtendem Smaragdgrün unterlegt waren. Sie setzte sich an ihren Frisiertisch, um ihr frisch gewaschenes Haar zu einer Kaskade schimmernder schwarzer Locken aufzutürmen, die von einem pfirischfarbenen Band zusammengehalten wurde. Dann schmückte sie sich mit den Smaragdohrgehängen, die Hepburn ihr geschenkt hatte.
Sie vernahm das Echo von Margrethas Worten. Erwartet Euren ergebenen Ehemann heute Abend nicht zurück. Catherine lächelte ihrem Spiegelbild wissend zu. Die Reize der schlanken, verführerischen Hofdame verblassten völlig im Vergleich zu der unwiderstehlichen Verlockung, die ihn hier erwartete. Spencer Park war das Objekt von Hepburns unsterblicher Leidenschaft. Gretha hatte nicht die geringste Chance, ihn in London zu halten.
Die Dämmerung vertiefte sich zur Dunkelheit, als Patrick nach Hause kam. Er brachte
Weitere Kostenlose Bücher