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Verfuehrt

Verfuehrt

Titel: Verfuehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Taylor
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Lieblingsmotive haben, die in ihrem Werk immer wiederkehren. Und Enzo ist dafür ein Paradebeispiel. Er hat nicht eine heilige Familie gemalt, sondern Dutzende, nicht immer gleich, aber oft sehr ähnlich. Und auch andere Darstellungen finden sich gehäuft, in Variationen. Von diesem höre ich jedoch zum ersten Mal.«
    »Vielleicht hat ihn das Thema nicht sehr lange beschäftigt«, mutmaße ich und trete neben Matteo, um das Bild noch einmal genauer zu betrachten. »Aber es ist eine sehr gelungene Darstellung. Sieh dir nur die Gesichtsausdrücke an – wie vertraut diese beiden Männer miteinander wirken. Sie strahlen aus, wie nahe sie sich stehen – das ist wirklich meisterhaft gemalt.« Ich lege den Kopf ein wenig schief. »Ob er diese Männer kannte?«
    »Ich glaube sogar, dass er einer davon ist – der mit dem Hut, siehst du?« Er deutet auf die rechte Figur, die einen dunklen Umhang trägt und von deren Gesicht weniger zu sehen ist als von dem anderen, der farbenfroher gekleidet ist und lockiges braunes Haar hat, das ihm bis auf die Schultern reicht. »Auf den beiden Selbstporträts, die von Enzo existieren, ist er so dunkel gekleidet.«
    »Wow – aber das wäre doch eine echte Sensation, oder nicht?«, frage ich aufgeregt.
    »Oder ein weiterer Beleg dafür, dass es nicht von ihm selbst stammt«, ernüchtert er mich. »Er hat diese Porträts nur von sich allein gemalt, Sophie, da war sonst niemand drauf.«
    »Vielleicht war es eine Auftragsarbeit, vielleicht konnte Enzo sich das Motiv gar nicht aussuchen«, spekuliere ich. »Oder dieser Freund war ihm besonders wichtig und er wollte sich unbedingt mit ihm zusammen verewigen. Das kann doch sein.«
    Matteo zuckt mit den Schultern. »Ja, möglich«, sagt er, aber er klingt skeptisch, deshalb sehe ihn fast flehend an.
    »Komm schon, so ungewöhnlich ist das doch wirklich nicht. Jeder Mann hat doch einen besten Kumpel, mit dem er als Kind irgendwelche Streiche ausgeheckt hat und generell durch dick und dünn geht, oder nicht?«
    Matteos Gesichtsausdruck verändert sich, wird plötzlich ernster. Viel ernster.
    »Ja, wahrscheinlich.« Abrupt wendet er sich ab und geht zum Fenster, sieht mit vor der Brust verschränkten Armen auf die teilweise vom Sturm verwüsteten Gärten von Ashbury Hall hinaus.
    Sein plötzlicher Stimmungsumschwung erschreckt mich – das wollte ich mit meiner Bemerkung nicht erreichen. Aber dass er auf dieses Thema so heftig reagiert, weckt auch meine Neugier. Deshalb gehe ich zu ihm und lege ihm eine Hand auf den Rücken, lächle, als er sich zu mir umdreht.
    »Stimmt doch, oder? Du hast auch so einen Freund?«
    »Früher schon.« Er sieht wieder aus dem Fenster, und auf seiner Wange zuckt ein Muskel. Ich warte darauf, dass er weiterspricht, aber er schweigt, ist offenbar mit den Erinnerungen beschäftigt, die ich durch meine Frage unabsichtlich geweckt habe.
    »Früher? Dann hast du keinen Kontakt mehr zu ihm?«
    »Nein.« Seine Stimme klingt hart, und als er mich wieder ansieht, liegt in seinen Augen diese Mischung aus Schmerz und Wut, die ich bis jetzt nur darin gesehen habe, wenn es um den Tod seiner Frau ging.
    »Was ist denn passiert?«, frage ich erschrocken, weil mir plötzlich klar wird, dass ich an eine Wunde gerührt habe. Und zwar eine, die ziemlich tief geht, denn er schüttelt den Kopf, so als müsste er etwas sehr Unangenehmes loswerden.
    »Das ist nicht wichtig.«
    Frustriert balle ich die Hände zu Fäusten.
    »Doch, das ist wichtig. Wenn du mir diese ganzen Dinge über dich verschweigst, wie soll ich dich dann kennenlernen? Wie soll ich dich dann verstehen?«
    Er dreht den Kopf zu mir, und ich halte den Atem an, als unsere Blicke sich begegnen, weil ich für einen kurzen Moment das Gefühl habe, dass er nachgeben will. Dass er versucht ist, mir anzuvertrauen, was ihn offensichtlich so quält. Doch dann verschließt er sich mir wieder, zieht sich in sich zurück.
    »Wir haben im Moment wirklich drängendere Probleme.« Er wendet sich vom Fenster ab und geht wieder zurück zu dem Gemälde. »Wir müssen endlich einen Anhaltspunkt finden, irgendeinen Beleg, dass Enzo zum fraglichen Zeitpunkt an diesem Gemälde gearbeitet hat. Nur dann kann ich seine Urheberschaft schlüssig nachweisen – aber das ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, und ich weiß nicht, wie lange Lord Ashbury noch stillhält. Oder dieser Gernegroß Highcombe. Wenn er mit seinem Verdacht an die Presse geht, dann sollten wir irgendeinen Beweis haben. Auf

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