Verführt im Harem des Scheichs
Gesellschaft sie verurteilte.
Man kann die Versuchung erst überwinden, wenn man ihr nachgegeben hat .
Das war ein Spruch, den Ramiz oft von seinem Bruder gehört hatte. Als ältester Sohn und Thronerbe war Asad von allen verwöhnt worden. Man hatte ihm geschmeichelt. Doch das war ihm gleichgültig gewesen. Ihm lag mehr an Taten als an Worten. „Frauen reden, Männer handeln“, pflegte er zu sagen. Und: „Ein Fürst bedient sich des Scimitars und nicht der Feder. Es ist die Aufgabe der Schreiber, seine Heldentaten für die Nachwelt festzuhalten.“
Ihr Vater war sehr stolz auf Asad gewesen.
Wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, musste Ramiz sich eingestehen, dass er sich von seinem Vater vernachlässigt gefühlt hatte. Und er konnte ebenso wenig leugnen, dass Asad stets auf ihn hinabgeblickt hatte. Trotzdem fehlten ihm beide.
Solange sie lebten, hatte er Pläne geschmiedet, wie er – sollte er jemals die Gelegenheit dazu bekommen – das Leben in A’Qadiz verändern würde. Seit zwei Jahren nun war er der Herrscher und nutzte die Macht, die er so unerwartet erhalten hatte, um seine Ideen in die Tat umzusetzen. Nicht alle seine Untertanen waren damit einverstanden. Und es gab kaum jemanden, mit dem er sich beraten konnte. Er war der letzte Spross seiner Familie. Er war reich. Er war mächtig. Und er war entsetzlich einsam.
Das war ihm allerdings nicht bewusst gewesen, solange er Celia nicht gekannt hatte. Er war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, all seine Pflichten so gut wie möglich zu erledigen. Er hatte Gesetze geändert, Verhandlungen mit anderen Stämmen geführt, den Kontakt zu Engländern und Franzosen aufrechterhalten. Er hatte an nichts anderes als das Wohl von A’Qadiz denken können. Dass er wie jeder Mensch eigene Wünsche und Bedürfnisse hatte, war gänzlich in Vergessenheit geraten. Nun jedoch sah er sich mit seinen Sehnsüchten konfrontiert. Vielleicht hatte Akil recht, vielleicht war es wirklich an der Zeit zu heiraten.
Die Vorstellung, eine der Prinzessinnen von Akils Liste zur Frau zu nehmen, gefiel ihm allerdings noch immer nicht. Ja, sie gefiel ihm weniger als je zuvor. Eine derartige Heirat würde seinem Land zum Vorteil gereichen. Aber sie würde ihm nicht helfen, seine Einsamkeit zu überwinden. Ganz gleich, welche der Prinzessinnen er wählte, sie würde nicht sein wie Celia.
Er wollte Celia.
Er stieß einen Fluch aus. Jetzt hatte er eine ganze Stunde mit sinnlosen Grübeleien verbracht.
Man kann die Versuchung erst überwinden, wenn man ihr nachgegeben hat .
Ramiz fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Sein Bruder Asad, der so ganz anders gedacht hatte als er selbst, war stets gut darin gewesen, zum Kern eines Problems vorzudringen.
Wahrscheinlich hätte er gesagt: Du bist ja geradezu besessen von dieser Engländerin. Warum machst du dir Vorwürfe, wenn sie selbst der Meinung ist, sie sei nicht von dir entehrt worden? Du weißt, wovon sie träumt. Erfülle ihr ihre Wünsche. Erfülle dir deine eigenen Wünsche! Nur so kannst du dich von dieser Frau befreien.
Das war gut und schön. Nur, dass es Ramiz nicht gefiel, als jemand angesehen zu werden, der nicht zur wirklichen Welt gehörte. Er wollte nicht, dass Celia lediglich innerhalb der Haremsmauern an ihn dachte. Als der Mann, der sie fliegen gelehrt hatte, wollte er fest in ihrer Erinnerung verankert sein, ganz gleich, wo sie sich aufhielt.
Ramiz hob den Kopf und schaute zur Sonne hin, die noch nicht sehr hoch am Himmel stand. Sein Entschluss war gefasst. Er würde Celia aus der unwirklichen Atmosphäre des Harems herausholen. Im hellen Licht des Tages würden sie beide klarer sehen.
„Sie wollten mich sprechen?“ Celia blieb vor Ramiz’ Schreibtisch stehen, so als betrachte sie diesen als Schranke. Sie trug eine himmelblaue Abaya über einer dunkelblauen Sirwal. Das war die traditionelle Hauskleidung arabischer Frauen. Doch zusammen mit Celias kupferrotem Haar, das sie zu einem Knoten hochgesteckt hatte, wirkten die einfachen Gewänder aufregend exotisch.
Eine englische Lady im Gewand einer Haremsdame dachte Ramiz, der keinen Blick von ihr wenden konnte. Die Stoffe waren so weich und anschmiegsam, dass sie die Aufmerksamkeit sowohl auf Celias schlanke, biegsame Gestalt lenkten als auch auf ihre festen Brüste und die Rundungen der Hüften.
Verlangen regte sich in Ramiz.
„Setzen Sie sich, bitte!“, sagte er. Seine Stimme klang rau. „Ich hoffe, es geht Ihnen gut.“
„Ich werde gut versorgt“,
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