Verführt im Harem des Scheichs
Frau überwachte, wie das Gepäck auf Mulis geladen wurde. Dann war sie selbst überraschend schnell im Sattel ihres Reittieres und glättete ihre Röcke. Im Gegensatz zu ihrem Gatten, der sich an den Knauf klammerte, saß sie aufrecht und hielt die Zügel so geschickt, als habe sie nie etwas anderes getan. Auch als die Kamele sich in Bewegung setzten, machte sie alles richtig. Wahrhaftig, sie war bezaubernd.
Ramiz stieß einen Fluch aus. Wie kam er dazu, sich so intensiv mit der Frau eines anderen zu beschäftigen? Es war eine Frage der Ehre, dass er seinem englischen Besucher die traditionelle Gastfreundschaft erwies! Dazu gehörte auch, dass er keine Notiz von dessen Gattin nahm.
Als kluger Mann wusste Ramiz sehr wohl, wie wichtig die bevorstehenden Verhandlungen für ihn und sein Volk waren. Engländer und Franzosen warteten nur auf ein Zeichen der Schwäche bei den verschiedenen Herrschern im Vorderen Orient, um diesen die Kontrolle über die wichtigen Handelsrouten zu entreißen.
A’Qadiz mit seinem lebhaften Hafen am Roten Meer hatte eine nicht unerhebliche Bedeutung für die Handelsstraße nach Indien. Daraus ließen sich Vorteile für das kleine Land ableiten. Aber Ramiz war auch den Nachteilen gegenüber nicht blind. Fremde bedeuteten immer eine Gefahr. Er hatte beobachtet, wie die Europäer die historischen Kunstschätze Ägyptens an sich brachten, um sie in Museen auszustellen oder, schlimmer noch, in privaten Sammlungen verschwinden zu lassen. Gleiches durfte seinem Land auf keinen Fall widerfahren. Noch wichtiger allerdings war es, seine Untertanen davor zu bewahren, von irgendeinem anderen Volk unterdrückt zu werden. Um die Unabhängigkeit seiner Heimat zu sichern, würde er einfach alles tun.
Dennoch gefiel ihm die Vorstellung nicht, mit dem ihm jetzt schon unsympathischen britischen Gesandten zu verhandeln.
„Achte als Erstes darauf, was gesagt wird, und weniger darauf, wer es sagt.“ Diese weisen Worte hatte er von seinem Vater gehört und nie mehr vergessen.
Ja, sogar der mürrische Engländer hatte es verdient, angehört zu werden.
Ramiz ritt zu der Karawanserei, in der er sein Kamel untergestellt hatte. Er verhandelte kurz mit dem Inhaber, gab dann dem Stallmeister ein paar Anweisungen und machte sich wenig später, den Hengst zurücklassend, auf den Heimweg. Drei Tage würde er benötigen, um die Hauptstadt Balyrma zu erreichen. Diese Zeit wollte er nutzen, um sich über sein weiteres Vorgehen Klarheit zu verschaffen.
Die Karawane, die die Hafenstadt verließ und sich auf die gefährliche Reise durch die Wüste begab, bestand aus sechs Reitkamelen und vier Lasttieren. George und Celia sowie Bakri wurden auf Ramiz’ Befehl hin von drei Kriegern begleitet, die mit Krummsäbeln und langen Messern für ihre Sicherheit sorgen sollten. Celia fühlte sich von ihnen allerdings eher bedroht als beschützt, da sie ihr immer wieder Blicke zuwarfen, die deutlich ihre Verachtung für die fremde Frau erkennen ließen.
Um sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen, beschloss sie, ihre Aufmerksamkeit auf die Umgebung zu konzentrieren. Die Wüste hier war ganz anders, als sie sie sich bisher ausgemalt hatte. Es gab zwar Sand, aber auch Geröll und Felsen. Auch war das Land nicht flach. Es ging stetig bergauf, und in der Ferne war eine Bergkette mit schroffen Spitzen zu erkennen. Der Himmel allerdings entsprach genau ihren Vorstellungen. Er war tiefblau, um dann, als die Sonne sich dem Horizont näherte, ein wenig dunkler zu werden und schließlich in allen nur erdenklichen Rot- und Orangetönen zu erstrahlen.
Es war ein beeindruckendes Schauspiel. Noch beeindruckender allerdings war die Wirkung der Wüste auf den Menschen. Die Leere, die Weite, die Stille brachten Celia ihre eigene Bedeutungslosigkeit zu Bewusstsein. Nie zuvor hatte sie sich so klein und unbedeutend gefühlt. Gleichzeitig allerdings war ihr, als sei sie eins geworden mit der Natur. So ungewohnt und beunruhigend diese Gefühle auch waren, Celia wollte sich ihnen nicht verschließen. Im Gegenteil, bei nächster Gelegenheit würde sie ihrer Schwester Cassie davon berichten.
Ob sie dann endlich auch etwas Positives über George würde schreiben können?
Selbstverständlich, sagte sie sich. Er würde seine Mission mit Bravour beenden und dann alles tun, um auch ihre Ehe zu einem Erfolg zu machen.
Die Sonne verschwand, und einen Moment lang schien es, als senke sich tiefe Dunkelheit über die Landschaft. Doch dann bemerkte Celia
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