Verfuehrt zur Liebe
Gefühl, sich in der Nähe eines großen Herrenhauses zu befinden, man konnte kein Beet und kein gepflegtes Rasenstück sehen. Es war leicht zu vergessen, leicht zu glauben, dass niemand in der Nähe war. Außer ihnen.
Sie blickte Simon an und entdeckte, dass er sie beobachtete. Wusste in dem Moment, dass er auf ein Zeichen von ihr wartete, das verriet, sie wollte noch mehr wissen, mehr erfahren, oder ob sie der Ansicht war, dass sie jetzt genug wusste. Gelassen stand er da und schaute sie aus seinen blauen Augen ruhig an.
Sie richtete ihren Blick wieder auf den See und versuchte den plötzlichen Aufruhr ihrer Sinne zu ignorieren, das störende Gefühl, ihr Herz schlüge schneller und härter.
Die anderen Damen hatten sich im Morgensalon versammelt, um sich zu unterhalten, sich auszuruhen; die anderen Herren hatten sich entweder zusammengeschlossen, um Geschäftliches oder Politik zu diskutieren, oder waren ausgeritten.
Sie waren allein, so allein und ungestört, wie die Umgebung es vermuten ließ.
Die Gelegenheit lockte. Nachdrücklich. Aber ...
Sie runzelte die Stirn, schlenderte zu einem der Bogenfenster, stützte ihre Hände auf die Bank und schaute hinaus. Ohne etwas zu sehen.
Nach einem Moment rührte Simon sich, folgte ihr. Obwohl sie sich nicht umdrehte, war sie sich seiner lässigen Kraft bewusst. Er stellte sich neben sie, lehnte sich mit der Schulter gegen die Steinfassung. Sein Blick ruhte weiter auf ihr.
Eine weitere Minute verging, dann murmelte er: »Du bist dran.«
Ihre Lippen verzogen sich; sie trommelte mit den Fingern auf die Fensterbank, dann merkte sie es und hörte auf. »Ich weiß.« Die Tatsache machte alles nicht einfacher.
»Also sag mir ...«
Das würde sie müssen. Er war nur etwa einen halben Meter entfernt, aber wenigstens brauchte sie ihm nicht in die Augen zu sehen oder laut zu sprechen. Sie holte tief Luft, nahm die Schultern zurück und legte die Hände auf die Fensterbank. »Ich möchte mehr lernen, aber auf keinen Fall will ich, dass du falsche Vorstellungen entwickelst. Meine Absichten oder mich missverstehst.«
Das war das Dilemma, in dem sie sich heute Morgen beim Aufwachen wiedergefunden hatte und über das nachzudenken sie nach draußen gekommen war.
Er war einen Moment lang still; sie wusste, dass er ihren Gedankengängen zu folgen versuchte.
»Warum genau willst du eigentlich überhaupt mehr lernen?«
Sein Ton war so ruhig, dass sie nichts daraus entnehmen konnte; wenn sie wissen wollte, was er dachte, würde sie in seine Augen schauen müssen, aber wenn sie seine Frage beantworten wollte, konnte sie sich das nicht leisten.
Sie hielt ihren Blick auf den See gerichtet. »Ich möchte verstehen lernen, was alles zwischen Mann und Frau möglich ist, was eine Frau dazu bringen könnte zu heiraten. Ich will das wissen, nicht raten müssen. Wie auch immer« - sie betonte diese Worte besonders -, »mein Interesse ist rein akademisch. Vollkommen. Ich möchte nicht... dass du ... du einen falschen Eindruck erhältst.«
Ihr Herz schlug heftiger, aber sie hatte es gesagt, die Worte herausbekommen. Sie konnte Hitze in ihren Wangen spüren; sie hatte sich nie so unsicher gefühlt. Verunsichert, durcheinander. Unwissend. Das Gefühl hasste sie. Sie wusste genau, was sie wollte, wusste, was sie - wenn ihr Gewissen sich nicht gemeldet hätte - von ihm wollte. Aber sie konnte ihn auf keinen Fall darum bitten, wenn auch nur die geringste Chance bestand, dass er ihr Interesse falsch deutete.
Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er leicht zu treffen war -sie kannte seinen Ruf zu gut -, aber die Dinge zwischen ihnen hatten sich geändert, und sie begriff nicht genau, wie oder warum. Auf Erfahrungen konnte sie nun einmal nicht zurückgreifen, um sich sicher zu sein, dass er nicht auf einmal Ideen entwickelte und mehr erwartete als Gegenleistung für seine Nachhilfe, als sie bereit war zu geben.
Denn das - da war sie sich ganz sicher - ertrüge sie nicht.
Simon betrachtete ihr Profil. Ihre Erklärung - ihre Absicht, ihr Ziel, das so ungewöhnlich wie kühn war - war so typisch für Portia, dass es ihn überhaupt nicht überraschte; er hatte sich längst an ihre Art gewöhnt. Wäre sie irgendeine andere unverheiratete junge Dame, wäre er entsetzt gewesen; bei ihr dagegen ergab alles Sinn.
Ihr Mut und ihre Unverblümtheit ließen sie diese Dinge so offen aussprechen, weil sie jeden Zweifel ausräumen wollte; sie wollte, dass er sie verstand und sich schützte, um nicht
Weitere Kostenlose Bücher